Der italienische Bauer Sandro Passerini steht auf einem seiner riesigen Maisfelder. «Das Wasser fehlt. Wir mussten uns entscheiden, welche Felder wir wenigstens noch alle zwei Wochen bewässern wollen. Wir werden die Hälfte unserer Maisernte verlieren. So wie uns geht es allen Bauern der Poebene.» Bauer Passerini setzt auf biologischen Anbau. Er sagt, das helfe jetzt in der Krise. Sein Mais brauche weniger Wasser. Zudem hat er andere Standbeine, wie ein kleines Restaurant und einen Hofladen.
Dennoch ist sein Frust auf die Behörden gross. «Wir haben verschiedene Ämter, die alle nicht miteinander kommunizieren. Es regiert das Chaos. Das Geld fehlt sowieso. Das heisst, wir kriegen nichts. Es passiert nichts.» Dringend müsste in die Wasserinfrastruktur und vor allem in die Wasserorganisation während den Winter- und Frühlingsmonaten investiert werden, findet Bauer Passerini.
Der italienische Staat pumpt derzeit Millionen Euro in die Krisenregionen. Meuccio Berselli, Chef der Organisation, die die Gewässer der Poebene kontrolliert, hofft, dass dies der Wendepunkt für ein Wassermanagement der Zukunft ist. «Das System, das wir hier in der Poebene haben, droht zu kollabieren. Wir müssen investieren und dürfen keine Zeit mehr verlieren.»
«Gute Diversifikation»
In Italien versickern 40 Prozent des Wassers ungenutzt. 50 Kilometer nördlich vom Maisfeld von Bauer Passerini, im Tessin ist die Situation wesentlich entspannter. Zwar sind die Bäche im Südtessin auch ausgetrocknet und in Mendrisio darf man das Auto nicht waschen.
Doch von einer Situation wie er auf der anderen Seite der Grenze ist man weit, weit weg, sagt Mauro Veronesi. Er ist beim Kanton Tessin zuständig für das Wasser. «Wir haben eine gute Diversifikation an Quellen. Wir haben Quellen in den Bergen, Grundwasser, das wir mit den Brunnen verwenden können und auch Wasser aus dem See. Das ist, denke ich, in Italien nicht der Fall. In Italien ist zudem der Anteil der Landwirtschaft sehr hoch. Das ist bei uns nicht der Fall.»
Gesetz fördert Wasseraustausch
Das Tessin ist zwar ein Landkanton, dennoch sind die Haushalte die grössten Wasserverbraucher, sagt Veronesi. Für sie, beziehungsweise für die Bewohner der Stadt Mendrisio, wurde jüngst ein neues Wasserwerk gebaut. Mit 130 Metern unter der Erdoberfläche ist es der tiefste Brunnen der Südschweiz. Er kostet rund viereinhalb Millionen Franken. Seit 30 Jahren gilt zudem ein Gesetz, das den regionalen Wasseraustausch fördert.
«Wenn eine Gemeinde zum Beispiel Wasser zur Verfügung hat, kann sie den Nachbar-Gemeinden das Wasser liefern, wenn diese in einer Mangelsituation ist. Ohne die Unterstützung von diesem Gesetz wäre es vielleicht schwierig gewesen, die Verknüpfungen zu realisieren.» Ohne diese vom Staat geförderte Solidarität unter den Gemeinden wäre die Wasserknappheit viel, viel schlimmer, sagt Veronesi.
Gemäss Bundesamt für Umwelt haben neun andere Kantone bereits ein solches Wasser Solidarsystem. Ein weiterer wichtiger Baustein für die verhältnismässig privilegierte Wassersituation in der Südschweiz sind zudem die Vorgaben des Verbandes für Wasserversorger.
«Das hilft, um die Infrastrukturen aufrechtzuerhalten, also auf einem guten Niveau. Und es gibt auch einen guten Wissensaustausch zwischen Kantonen und ich denke, das gibt es in Italien nicht.»