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Wasserknappheit in Po-Ebene So dramatisch ist die Trockenheit in Norditalien

In Mailand werden wegen der anhaltenden Trockenheit erste Brunnen sowie die Bewässerung der städtischen Grünflächen eingestellt.

Italiens Politik führt Wasserspar-Massnahmen wegen der anhaltenden Trockenheit in Norditalien ein. Am Freitag kündigte der Regionalpräsident der Lombardei den Notstand wegen der Trockenheit an. Laut italienischen Medienberichten soll der entsprechende Erlass bis Ende September gelten. Dieser empfehle den Gemeinden der Region, Bewässerungen von öffentlichen Parks und Sportanlagen wie Fussballplätze, Tennis- oder Golfplätzen einzuschränken.

Der Erlass empfiehlt zudem «allen Bürgern, mit der Ressource Wasser äusserst sparsam, nachhaltig und effizient umzugehen». Es wird empfohlen, den Verbrauch auf das absolute Minimum zu beschränken». Die Region stellt den Bürgermeistern der Gemeinden der Lombardei zudem ein Verordnungsschema über Wassereinsparungen für die Verwendung von Trinkwasser zur Verfügung.

Mailand folgte nun den Empfehlungen: Die Metropole will erste Brunnen abdrehen. Ausgenommen seien solche, in denen sich Pflanzen und Tiere befinden, schrieb Mailands Bürgermeister Beppe Sala am Samstag auf Facebook. Auch die kleinen Brunnen auf den Gehwegen, aus denen Trinkwasser fliesst, blieben wegen der anstehenden Hitzewelle weiter offen.

Die Stadt bewässere jedoch keine Grünflächen mehr. Sala rief zudem die Bürgerinnen und Bürger auf, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren und empfahl, Klimaanlagen nicht kälter als 26 Grad Celsius einzustellen, um Energie zu sparen. Wann die Massnahmen in Kraft treten, teilte Sala nicht mit.

Leere Wasserspeicher und gefährdete Ernten

Doch nicht nur die Lombardei ist von Wasserknappheit betroffen. Auch in den Regionen Piemont und Emilia Romagna spitzt sich die Lage wegen der Dürre zu. In der Region Piemont wird laut der Nachrichtenagentur Ansa bereits in mehr als 200 Gemeinden das Wasser rationiert. In diversen Gegenden des Mittelmeerlandes hat es seit rund vier Monaten nicht mehr geregnet, der Fluss Po weist den niedrigsten Pegelstand seit 70 Jahren auf.

Einschätzung der SRF-Meteorologin Sabine Balmer

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Auch in den kommenden Tagen kann in Italien nicht mit einer Entschärfung der Wasserknappheit gerechnet werden, sagt Sabine Balmer von SRF Meteo. «Viel Regen ist nicht in Sicht, aber am Dienstag und Mittwoch sollte es einige Regenschauer und Gewitter geben.»

In Zukunft müsse wegen des Klimawandels vermehrt mit solchen Szenarien gerechnet werden. «Ähnlich wie im Tessin muss man auch in Norditalien im Sommer mit längeren Hitzeperioden und Trockenphasen rechnen.» Besonders problematisch sei es dann, wenn es auch im Winter und Frühling wenig regnet, erklärt Balmer.

Die Trockenheit gefährdet zudem etliche Ernten. Vielerorts sind die Wasserspeicher leer und es kommen Tanklaster zum Einsatz, in einigen Gemeinden darf Wasser nur zum Trinken oder für andere wichtige Bereiche des Alltags verwendet werden. Im Piemont geht man davon aus, dass Anfang Juli viele Ernten zerstört sein dürften, wenn bis dann keine Sondermassnahmen erfolgen. «Ich glaube, es ist unvermeidlich, einen Krisenzustand zu verhängen wegen der Trockenheit», sagte Landwirtschaftsminister Stefano Patuanelli.

Auch Muschelproduktion betroffen

Neben den Ernten ist auch die Muschelproduktion von der Trockenheit betroffen. Denn wegen der Dürre dringt das Meer immer tiefer in das Po-Delta ein, wo sich die Muschelproduktion konzentriert und bedroht wird.

Der Temperaturanstieg ohne die Möglichkeit eines Wasserwechsels habe zu einem Rückgang der Muschelproduktion von 20 Prozent geführt, berichtete der Landwirtschaftsverband Coldiretti. Wegen der Wasserknappheit sei ein ganzer Sektor gefährdet, der jedes Jahr mehr als 93 Millionen Kilo Miesmuscheln und Venusmuscheln produziert.

SRF 4 News, 25.6.22, 15 Uhr ; 

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