Das ist das Problem: Während der Pubertät verändert sich laut Wissenschaft bei Jugendlichen der Chronotyp, also der innere Rhythmus. Sie werden abends später müde – wollen dafür morgens länger schlafen. Entsprechend erschöpft sitzen deshalb nach den Ferien jeweils viele Teenager in den Klassenzimmern. Vielerorts gibt es Frühstunden: Bereits um 7:30 Uhr büffeln Sek-Schülerinnen und -Schüler Mathe, Deutsch, Französisch oder Geografie – die meisten eher widerwillig.
Späterer Schulbeginn als Lösung: In Basel starten sämtliche Schulen von der 1. bis zur 9. Klasse seit zehn Jahren um 8 Uhr. Auch im Stadtberner Schulhaus Spitalacker ist die Frühstunde seit fünf Jahren Geschichte. Als Pilotversuch wurde ein Unterrichtskonzept eingeführt, bei dem alle Schülerinnen und Schüler von vier bis 16 Jahren um 8 Uhr anfangen. Nach der erfolgreichen Pilotphase will nun die Berner Bildungsdirektion ab Sommer 2027 allen Schulen im Kanton ermöglichen, mit Blockzeiten auf die Frühstunde zu verzichten.
Auch andere Regionen ziehen nach: In Kriens LU fallen seit diesem Schuljahr die Frühstunden ebenfalls weg. Die Stadt Kriens hielt in einer Mitteilung fest, damit werde auch «den biologischen Bedürfnissen der Jugendlichen Rechnung getragen». Auch das Stadtzürcher Parlament hat diese Woche einem späteren Schulstart in der Sekundarschule zugestimmt. Die Vorlage muss noch eine weitere Kommissionshürde nehmen – sollte sie angenommen werden, dürften sich Zürcher Jugendliche allerdings nicht zu früh freuen: Die Schulen sollen bis vier Jahre nach Inkrafttreten der Teilrevision Zeit haben für die Umsetzung.
Das sagt die Wissenschaft: Postdoktorandin Joëlle Albrecht, Schlafexpertin beim Kinderspital Zürich sagt, die Biologie von Jugendlichen verändere sich stark: «Jugendliche schlafen immer später ein und können das an den Schultagen nicht kompensieren, weil die Schule früh startet.» Eine Umfrage des Kinderspitals hat gezeigt, dass Jugendliche 8:40 Uhr als idealen Zeitpunkt für den Unterrichtsstart sehen. Aus wissenschaftlicher Sicht sei es aber nicht so, dass Teenager bei späterem Schulbeginn länger wach bleiben würden. Internationale Studien würden zeigen, dass hingegen die Schlafdauer insgesamt länger würde.
Das sagen die Gegner: Der Zürcher Stadtrat kritisierte den Vorstoss im Parlament als Eingriff in die Autonomie der Schulleitungen. Problematisch sei auch die mögliche Verkürzung der Mittagspause auf eine Stunde. Als weiteres Argument wird ein späterer Schulschluss angeführt. Thomas Minder, der oberste Schweizer Schulleiter, sagt, ein späterer Schulstart würde ihm persönlich entgegenkommen. Er verweist jedoch auch darauf, dass beim Start ins Berufsleben die Jugendlichen für alle Fälle bereit sein müssten. Trotz anderem Schlafrhythmus müssten sie dann gegebenenfalls früher starten.
Das sind die Herausforderungen: Christian Stauffer, Co-Schulleiter bei der Schule Spitalacker in Bern, sagt, eine Umstellung brauche Zeit: «Wir sprechen von mehreren Jahren vom Pilot bis zur Endphase. Wir beschäftigen uns nun fast acht Jahre damit.» Die Krux liegt in der Organisation: Die «verlorenen» Minuten vom Morgen müssen schliesslich wieder aufgeholt werden. Da brauche es viele Anpassungen: «Wir haben die kleinen Pausen abgeschafft – die grosse Pause aber verlängert», führt Stauffer als Beispiel an.