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Frau liegend, mit einem Handy in der Hand
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Bildschirmlicht am Abend Probleme beim Einschlafen: Macht blaues Licht wirklich wach?

Nicht der hohe Blauanteil von LED-Licht eines Bildschirms hindert uns am Einschlafen, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Eine bekannte Regel für guten Schlaf lautet: keine Handyzeit vor dem Zu-Bett-Gehen. Denn was für Licht auf unsere Augen trifft, beeinflusst unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Das Bildschirmlicht von Smartphones und anderen technischen Geräten ähnelt jenem, das wir tagsüber sehen.

Entsprechend interpretiert unser Gehirn das LED-Licht als Tag-Signal. Viele Studien zeigen, dass deswegen beispielsweise die Produktion von Melatonin gehemmt wird – also jenem Hormon, das uns müde fühlen lässt. Nicht gerade praktisch, wenn wir einschlafen möchten.

Tipps für erholsame Nächte

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Legende: Christine Blume, Schlafforscherin und Therapeutin NaWik, Annette Mueck

Neben der Forschung ist Christine Blume als Schlaftherapeutin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel tätig. Sie empfiehlt, das Smartphone auf Nachtmodus zu stellen, betont aber: «Den vermutlich grösseren Impact als das LED-Licht, hat das, was wir auf dem Smartphone vor dem Zubettgehen tun.» Es bindet unsere Aufmerksamkeit und ist unterhaltsam. Und: «Beim Scrollen gehen rasch 15 bis 20 Minuten oder mehr um, ohne dass wir es bemerken. Diese Zeit fehlt uns dann, um zu schlafen», so Blume. Sie gibt zwei einfache Regeln mit für jene, die Mühe beim Einschlafen haben:

  • Nicht mehr als 20 Minuten wach im Bett liegen Wer gefühlte 20 Minuten (denn dauernd auf die Uhr zu schauen stresst zusätzlich) im Bett nicht einschlafen könne, solle wieder aufstehen und sich beschäftigen, beispielsweise ein Buch lesen. Und erst wieder unter die Decke schlüpfen, wenn man wirklich müde sei. «Damit verhindert man wiederholtes Einnicken und wieder Aufwachen», erklärt Blume. Denn oft haben Menschen mit Schlafstörungen den Eindruck sie hätten nie geschlafen – obwohl sie es taten. Ein weiterer Vorteil dieser Methode: Vielleicht dauert es lange bis zum Einschlafen. Am nächsten Tag ist man besonders müde und schläft dadurch am Abend leichter ein.
  • Hilfe gegen Gedankenkarussell – der Blick ins Himmelsdach «Viele Patienten berichten, dass sie kaum aus ihren Gedanken aussteigen können», erzählt die Therapeutin. Menschen, die in einem Gedankenkarussell gefangen seien, helfe manchmal eine Visualisierung. «Stellen Sie sich vor, Sie schauen in den Himmel. Grosse Quellwolken ziehen vorbei. Und Sie setzten jeden Gedanken auf eine Wolke» erzählt Blume mit beruhigender Stimme.

In diesem Zusammenhang ist oft davon zu lesen, dass der hohe Blauanteil des Handylichts uns wach halte. Passend heisst die Funktion im Nachtmodus auch Blaufilter. Dieser reduziert die kurzwelligen Lichtanteile und sieht leicht gelblich aus. Aber: «Diese umgangssprachliche Bezeichnung von ‹blauem Licht› führt etwas in die Irre», sagt Christine Blume, Schlafforscherin am Zentrum für Chronologie der Universität Basel.

Sie und ihre Kollegen haben kürzlich eine Studie veröffentlicht, die zum Ergebnis kommt: Egal, ob wir weisses, blaues oder gelbes Licht empfangen – unsere innere Uhr wird höchstwahrscheinlich nicht durch die Lichtfarbe gestört. Entscheidend für den «Wach-Mach-Effekt» von Licht ist vielmehr der hohe Anteil kurzer Wellenlängen.

Technologisch wäre es möglich, den kurzwelligen Lichtanteil auch ohne Farbanpassung des Displays zu verringern. Das ist jedoch in kommerziellen Handydisplays bisher nicht umgesetzt
Autor: Christine Blume Schlafforscherin und Psychologin

Abends das Handy frühzeitig wegzulegen oder zumindest die Helligkeit des Displays zu reduzieren und den Nachtmodus zu aktivieren, sei sinnvoll. Denn das kurzwellige Licht werde herausgefiltert, die Farbveränderung sei hingegen nur ein unnötiges Nebenprodukt. Blume erklärt: «Technologisch wäre es möglich, den kurzwelligen Lichtanteil auch ohne Farbanpassung des Displays zu verringern. Das ist jedoch in kommerziellen Handydisplays bisher nicht umgesetzt».

Mehr zur neuen Schlaf-Studie

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Forschenden der Universität Basel und der Technischen Universität München haben 16 gesunde Freiwillige am späten Abend eine Stunde lang einem Lichtreiz ausgesetzt. Und zwar in drei unterschiedlichen Bedingungen: einem bläulichem oder einem gelblichen Lichtreiz sowie zur Kontrolle einem weissen Licht. Die Lichteinwirkung war so konzipiert, dass sie die farbempfindlichen Zapfen in der Netzhaut unterschiedlich aktivierte. Der kurze Wellenlängenanteil des Lichts bei ca. 490 Nanometern hingegen war in allen drei Bedingungen gleich, womit die Reaktion der Ganglienzellen stabil gehalten wurde. Sprich: Unterschiede in der Lichtwirkung waren also direkt auf die jeweilige Reizung der Zapfen und letztlich auf die Farbe des Lichts zurückzuführen.

Anschliessend ermittelten die Forschenden, ob sich die innere Uhr der Teilnehmer je nach Lichtfarbe verstellt hatte. Sie erfassten unter anderem, wie lange die Probanden zum Einschlafen brauchten, wie tief sie zu Beginn der Nacht schliefen und wie hoch deren Melatonin-Spiegel war. Zudem erkundigten sich die Forschenden nach ihrer Müdigkeit und testeten ihre Reaktionsfähigkeit, die mit zunehmender Schläfrigkeit abnimmt.

In den Resultaten konnten keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Bedingungen gefunden werden. Das Fazit daraus: Die Lichtfarben wirkten sich nicht unterschiedlich auf die innere Uhr und den Schlaf der Teilnehmenden aus.

Was geschieht überhaupt, wenn Licht auf unsere Netzhaut trifft und unseren Körper informiert, ob er wach bleiben soll? Für den Prozess sind die sogenannten Ganglienzellen entscheidend. Die spezialisierten Rezeptoren wandeln Lichtreize in bioelektrische Erregung um. Besonders empfindlich reagieren sie auf kurzwelliges Licht von etwa 490 Nanometern.

Lichtempfindlichkeit – von Person zu Person unterschiedlich

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Es gibt Hinweise, dass Menschen je nach Alter, Geschlecht, Chronotyp oder auch Genen unterschiedlich lichtempfindlich sind. Beispielsweise nehmen jüngere Menschen in der Tendenz kurzwelliges Licht besser auf als ältere. Denn ungefähr ab 25 verändert sich die Augenlinse zunehmend und wird trüber. Das wirkt wie ein Filter und habe zur Folge, dass die innere Uhr von älteren Menschen weniger gestört werde. Jedoch gibt es auch Belege, die diese Annahme widerlegen. So kommt eine Untersuchung zum Schluss, dass mit zunehmendem Alter zwar das kurzwellige LED-Licht weniger gut durch die Linse kommt, aber die Melatoninproduktion dadurch nicht verringert wurde.

Aktiviert kurzwelliges Licht die Ganglienzellen, signalisieren sie der inneren Uhr, dass es Tag ist. Dieses Licht nehmen wir eben als blau wahr. Und hier kommt der Knackpunkt: Sind auch andere Wellenlängen im Licht enthalten, kann sich die wahrgenommene Farbe verändern. Anders gesagt: Auch weisses oder sogar gelbliches Licht kann kurzwellige Anteile haben, die die Ganglienzellen aktivieren.

Ergebnisse aus Maus-Studie widerlegt

Die aktuellen Befunde widerlegen somit eine Studie mit Mäusen aus dem Jahr 2019. Die Autoren kamen damals zum Schluss, dass gelbes Licht die innere Uhr stärker beeinflusse als bläuliches.

Wir haben in unserer Untersuchung keine Belege dafür gefunden, dass Variationen der Lichtfarbe eine relevante Rolle für die innere Uhr oder den Schlaf des Menschen spielt.
Autor: Christine Blume Schlafforscherin und Psychologin

Christine Blume hält dagegen: «Wir haben in unserer Untersuchung keine Belege dafür gefunden, dass Variationen der Lichtfarbe entlang einer Blau-Gelb-Dimension bei gleichbleibender Aktivierung der Ganglienzellen eine relevante Rolle für die innere Uhr oder den Schlaf des Menschen spielt.»

Audio
Wenn das Smartphone noch «smarter» wird
aus Echo der Zeit vom 26.12.2023. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 52 Sekunden.

Und sie fügt hinzu: «Unsere Resultate stützen vielmehr die Ergebnisse vieler anderer Studien, dass die lichtempfindlichen Ganglienzellen die grösste Bedeutung für unsere innere Uhr haben.» Es benötigt aber weitere Untersuchungen, um zu klären, ob die Lichtfarbe auch dann keinen Einfluss hat, wenn die Dauer der Lichteinwirkung verlängert wird.

Echo der Zeit, 26.12.2023, 18:00 Uhr

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