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Wegen Medikamentenmangel Pharmasuisse fordert stärkere Zusammenarbeit mit der EU

Es herrscht Medikamentenmangel in der Schweiz – und das seit längerem. Eine rasche Lösung ist nicht in Sicht.

Dass sämtliche Regale und Schubladen in Apotheken voller Medikamente sind, das ist in der Schweiz seit Jahren keine Selbstverständlichkeit mehr. Bereits kurz nach Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 sorgten die Lockdowns in mehreren Schwellenländern zu Engpässen hierzulande.

Nach Aufhebung der Massnahmen in den allermeisten Ländern hat sich die Versorgungslage bei Medikamenten sogar weiter verschärft – laut dem Schweizerischen Apothekerverband Pharmasuisse sind inzwischen sämtliche Medikamentensparten von Engpässen betroffen.

Pharmasuisse mit Forderungen

Dass der Bund trotz akuter Situation erst 2024 mögliche Massnahmen präsentiert, kritisiert die Präsidentin von Pharmasuisse, Martine Ruggli-Ducrot. «Das ist zu lang, weil wir jetzt schon handeln müssen. Mindestens die Pflichtlager zu erhöhen, wäre wichtig.» Man habe eine Versorgungsinitiative lanciert, damit die Kompetenzen für diese Medikamente beim Bund seien und nicht wie jetzt bei den Kantonen.

Des Weiteren fordert Pharmasuisse, die Meldepflicht müsse verbessert und die Entwicklung und Produktion neuer Medikamente nach Europa zurückgeholt werden. Dazu brauche es finanzielle Anreize für Schweizer Hersteller sowie die Kooperation mit der EU.

leere Schublade für Medis.
Legende: Leere Schubladen in Apotheken. Keystone/JENS BÜTTNER

«Die Schweiz versucht, mit der EU zusammenzuspannen, besonders für neue Medikamente. Ziel ist die schnellere Zulassung von Medikamenten und Antibiotika. Ansonsten ist es schwierig, weil wir kein Rahmenabkommen haben.» Die Schweiz werde deshalb eher indirekt profitieren, wenn wieder mehr in Europa produziert werde und wenn genug produziert werde.

BAG: «Arbeitsgruppe ist dran»

Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betont die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit: «Eine Arbeitsgruppe aus Bund, Kantonen, Industrie und Forschung ist daran, verschiedene Massnahmen bei der Versorgung zu prüfen. Dazu gehört eine engere Zusammenarbeit mit international wichtigen Akteuren wie der Europäischen Union.»

Wir müssen unbedingt direkter, einfacher auch Medikamente importieren können bei Engpässen. Die Apotheken und Spitäler, die selber produzieren können, brauchen bessere Rahmenbedingungen.
Autor: Flavia Wasserfallen Nationalrätin (SP/BE)

Das Thema beschäftigt zudem die Mitglieder der Gesundheitskommission des Nationalrats. Dass seit Beginn der Pandemie nur wenige Fortschritte erzielt wurden, liege an der Komplexität der Lösungen, sagt Flavia Wasserfallen (SP/BE). «Das Problem ist in der Tat schon länger bekannt. Leider sind die Massnahmen nicht so einfach oder wirken erst viel später. Und wir können auch nicht alles alleine lösen.»

Neben der Zusammenarbeit mit der EU seien auch im Inland Massnahmen nötig. «Wir müssen unbedingt direkter, einfacher auch Medikamente importieren können bei Engpässen. Die Apotheken und Spitäler, die selber produzieren können, brauchen bessere Rahmenbedingungen.»

Wichtig ist, dass wir einen attraktiven Markt haben, wo mehrere Anbieter ihre Produkte entsprechend anbieten können. Dafür müssen wir weg vom Billigstprinzip.
Autor: Thomas de Courten Nationalrat SVP und Präsident Intergenerika

Thomas de Courten (SVP/BL) ist ebenfalls Kommissionsmitglied und Präsident des Generikaverbands Intergenerika. Für ihn ist klar: Damit der Schweizer und der europäische Markt konkurrenzfähig bleiben können, führt keine Lösung an den Medikamentenpreisen vorbei. «Wichtig ist, dass wir einen attraktiven Markt haben, wo mehrere Anbieter ihre Produkte entsprechend anbieten können. Dafür müssen wir weg vom Billigstprinzip. Wenn wir nur einen billigsten Anbieter haben, dann sind wir von ihm abhängig. Es müssen auch Preisanpassungen möglich sein und es muss eine Untergrenze geben bei den Preisen, damit Medikamente noch auf dem Markt bleiben.»

Dass Handlungsbedarf besteht, haben alle Akteure erkannt. Nur scheinen nach wie vor keine schnellen Lösungen absehbar zu sein.

Tagesschau, 08.08.2023, 19:30 Uhr ; 

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