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Milliarden für die Gesundheit – trotzdem fehlen Medikamente
Aus Eco Talk vom 06.03.2023.
Bild: SRF/Oscar Alessio abspielen. Laufzeit 37 Minuten 18 Sekunden.
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Mangel an Arzneien Es fehlen so viele Medikamente wie noch nie

Medikamente sind in der Schweiz immer weniger verfügbar. Der Mangel hat einen neuen Höchststand erreicht. Dabei sind es nicht nur die teuren, die knapp werden, sondern auch günstige Medikamente, beispielsweise gegen Kopfschmerzen. Langfristig muss die Schweiz Lösungen finden.

Wirkstoffe von Medikamenten werden mittlerweile hauptsächlich in China kostengünstig hergestellt. Die Produktion im Inland lohnt sich kaum noch, sagt Marcel Plattner, Präsident der Pharmafirmen Schweiz und selbst Pharmaproduzent, in der Sendung Eco Talk: «Die Schweiz ist attraktiv für hochkomplexe Produkte, die schwierig herzustellen sind, das führt zu einer hohen Wertschöpfung. Wenn wir aber in die breite Masse gehen, dann wirkt die Globalisierung, da ist die Produktion im Ausland billiger.»

Die Folge: Immer mehr Medikamente sind in der Schweiz nicht mehr erhältlich.

Fiebersenkende Medikamente und Antibiotika

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Legende: SRF

Zugespitzt hat sich die Lage insbesondere bei fiebersenkenden Medikamenten und Antibiotika. Aber auch Medikamente gegen Epilepsie oder Rheuma fehlen. Über Ursachen und mögliche Lösungen für das Problem diskutierten im Eco Talk mit Reto Lipp diese Gäste:

  • Christoph Amstutz, Bereichsleiter Heilmittel bei der wirtschaftlichen Landesversorgung
  • Enea Martinelli, Spitalapotheker in Interlaken, Vizepräsident des Apothekerverbands Pharmasuisse
  • Marcel Plattner, Präsident Vereinigung Pharmafirmen der Schweiz und Chef der Pharmafirma Gebro

Enea Martinelli, Vizepräsident des Apothekerverbands Pharmasuisse, zeichnet seit 2015 auf einer Liste die fehlenden Medikamente auf: «Am Montagmorgen waren es 1039.» Er habe später im Tag nochmals nachgeschaut. «Die Zahl ging hoch auf 1058. Das ist der absolute Rekord, so viel hatten wir noch nie.»

Entwicklung der Lieferengpässe bei Medikamenten in einer Grafik.
Legende: SRF

Seit 2020 nehme die Zahl wegen Corona zu, weil sich die Leute übermässig eingedeckt hätten. Es fehle mittlerweile an allen Medikamenten, so Martinelli «Bei Herzmedikamenten sind es etwa 70 Produkte, die fehlen, bei Epilepsie fehlt etwa die Hälfte der therapeutischen Gruppe.»

Produktionskosten in der Schweiz viel höher

Wirkstoffe in der Schweiz herzustellen, ist wenig sinnvoll, sagt Marcel Plattner, Präsident der Vereinigung Pharmafirmen der Schweiz: «Die Kosten, um ein Medikament herzustellen, sind in der Schweiz viel höher. Das Lohnniveau ist hoch, das Preisniveau ist hoch. Wir haben in der Schweiz einen sehr kleinen Markt. Das erschwert die Rentabilität.»

Und: Solange die Pharmafirmen mit dem Verkauf von Medikamenten Geschäfte machen könnten, seien diese Medikamente in der Schweiz auch erhältlich. «Wenn wir aber Geld verlieren, wenn wir Medikamente an Lager nehmen, verdienen wir damit nicht genug. Das ist nicht nachhaltig», führt Plattner aus. 

Taskforce für die Pflichtlager

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Die Schweiz verfügt über Pflichtlager, in denen die wichtigsten Medikamente gelagert werden. Doch das reicht nicht, um dem Problem Herr zu werden. Der Bundesrat hat die Lage erkannt und als problematisch eingestuft. Deshalb hat er eine Taskforce eingesetzt. Stellvertretender Leiter ist Christoph Amstutz: «Wir führen eine Liste von 100 Substanzen, die wir in den Pflichtlagern haben. Vor allem von lebenswichtigen Substanzen, wie Antibiotika, haben wir einen starken Verbrauch, haben aber genug an Lager, möglicherweise aber nicht von allen Substanzen. Allenfalls müssen Patienten oder Apotheker auf andere Produkte ausweichen, das ist nicht immer ideal», sagt Amstutz. 

Die Liste der wichtigsten Medikamente würde kontinuierlich überprüft und angepasst. Die Pflichtlager lägen bei den Pharmafirmen, erläutert Amstutz. Es mache keinen Sinn, Medikamente extern zu lagern, bis sie verfallen.

Alle Gesprächsteilnehmer sind sich einig: In der Schweiz seien die bürokratischen Hürden hoch. Der Alleingang der Schweiz verschärfe das Problem. «Es ist immer der Andere verantwortlich», sagt Martinelli.

«Das Bundesamt für Gesundheit setzt die Preise fest, ist aber nicht verantwortlich für die Versorgung. Die Kantone sind zuständig. Die Kantone können aber nichts machen, denn die Rahmenbedingungen setzt der Bund. Das Spiel geht nicht auf, es fehlt die Führung im Thema, es fehlt die klare Kompetenzzuordnung», so Martinelli weiter.

Fehlendes Rahmenabkommen als Problem

Heute könne man sich diese Bürokratie nicht mehr leisten, ist die Runde überzeugt. Hinzu käme, dass die Schweiz in der Medikamenten-Debatte immer isolierter sei: «In der Schweiz können nicht alle Produkte hergestellte werden – im Verbund mit Europa schon. Nur sind wir derzeit in der Situation, dass die europäische Arzneimittelbehörde und Swissmedic gar nicht miteinander reden. Das fehlende Rahmenabkommen mit der EU hilft da sicher nicht», ergänzt Amstutz.

Eco Talk, 06.03.2023, 22:25 Uhr

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