Es ist bereits der dritte Termin, dieser 20. Mai 2025. Ursprünglich hätte der «Weisse Turm von Mulegns», das mit 30 Metern höchste 3D-gedruckte Bauwerk der Welt, Ende Juni 2024, dann im September eingeweiht werden sollen. Jetzt ist es so weit. Bundesrat Guy Parmelin hat den Turm offiziell eröffnet. Seine Reaktion: «Ich bin wirklich stolz.»
Die Fertigstellung verzögerte sich einige Male. Optimierungen bei der Herstellung der Bauelemente, unerwartete Asbestvorkommen am Standort und «architektonische Extravaganzen» sorgten für dafür. «Wir haben als Bauherren die Komplexität dieses Projekts unterschätzt», räumte Giovanni Netzer, Intendant der Kulturstiftung Origen, im Herbst ein.
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Bild 1 von 5. Am Montag wurde der «Weisse Turm von Mulegns» enthüllt. Bildquelle: Keystone / Gian Ehrenzeller.
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Bild 2 von 5. Am Abend wurde das neue Wahrzeichen von Mulegns beleuchtet. Bildquelle: Keystone / Gian Ehrenzeller.
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Bild 3 von 5. Nicht nur weiss: Am Abend kann der Turm ein farbenfrohes Lichtspiel bieten. Bildquelle: Keystone / Gian Ehrenzeller.
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Bild 4 von 5. Der Turm steht mitten im kleinen Bergdorf Mulegns am Julierpass. Bildquelle: Keystone / Gian Ehrenzeller.
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Bild 5 von 5. Origen-Intendant Giovanni Netzer (r.) mit den ETH-Architekten Benjamin Dillenburger (l.) und Michael Hansmeyer. Bildquelle: Keystone / Gian Ehrenzeller.
Seit 2018 haben die Kulturstiftung und die ETH Zürich am Turm gearbeitet. «Ein Projekt, das lange brauchte, viel Nerven und Geduld kostete, aber auch schöne Momente hatte», sagt Netzer nun am Einweihungstag. Die Idee dahinter: «Alte Erzählformen, die aus dem bäuerlichen Kontext stammen, wieder abholen», sagt Netzer. «Früher sass man abends in der Stube und erzählte sich Märchen, Legenden und Sagen.»
Jetzt soll der Turm von Mulegns auf knapp 1500 Metern über Meer zur Kulisse für Konzerte und Theater werden. Im Sommer ist ein grosses Freilichtspiel geplant.
«Hässlich»: Kritik aus der Bevölkerung
Einigen der Einwohnerinnen und Einwohner von Mulegns ist der neue Turm jedoch ein Dorn im Auge. Immer wieder gab es Kritik aus der Bevölkerung. Bäuerin Ursula Jäger lebt seit 15 Jahren im Dorf an der Strasse auf den Julierpass. Ihre erste Reaktion auf den Origen-Turm in der Nachbarschaft: «Hässlich. Es sieht ausserirdisch aus. Es passt nicht in die Gegend.»
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Bild 1 von 2. In der Nachbarschaft wird der Turm kritisch beäugt. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 2. Bäuerin Ursula Jäger findet, der Turm passe nicht nach Mulegns. Bildquelle: SRF.
Von der Bauweise her sei der Turm zwar durchaus ein Fortschritt. Der 3D-Druck sei gerade für die Landwirtschaft, die viel Beton benötigt, interessant. Aber: «Der gehört nicht nach Mulegns. Wenn man den Turm in Zürich am Flughafen gebaut hätte, wäre das für mich okay gewesen», sagt die Bäuerin.
Für Ursula Jäger leide die Lebensqualität: «Wir werden jetzt bis abends um 22 Uhr beleuchtet und bespielt. Zudem werden viele Leute durch unseren Betrieb laufen. Diese werden uns im Weg sein und uns an der Arbeit hindern.»
Das Dorf stirbt nicht in 100 Jahren aus, sondern vorher.
Für die Projektverantwortlichen von der Kulturstiftung Origen steht das Wiederbeleben des Dorfes im Zentrum. Intendant Giovanni Netzer entgegnet: «Mulegns hatte im Jahr 1900 150 Einwohner, heute sind es noch elf. Das Dorf stirbt nicht in 100 Jahren aus, sondern vorher. Für uns eine zentrale Frage war: Probieren wir nochmals etwas oder überlassen wir das Dorf seinem Schicksal?»
Der Ort habe kulturelles Potenzial und Geschichte. Und daraus lasse sich eine Zukunft basteln. Eine Zukunft, die zumindest vorübergehend – wohl für fünf Jahre – einen weissen Turm aus dem 3D-Drucker beinhaltet. Den höchsten gedruckten Bau der Welt.