Die Schweiz ein Land von Pendlern – diese Frage ist deshalb ein Dauerbrenner: Gilt der Weg zur Arbeit und jener nach Hause als Arbeitszeit, wenn währenddessen Mails beantwortet, Sitzungsprotokolle gelesen oder berufliche Anrufe getätigt werden?
Bundesbeamte dürfen dies nun offiziell als Arbeitszeit anrechnen – wie die «Sonntags-Zeitung» berichtet. Doch: Ganz unproblematisch ist die Neuerung nicht.
Ziele statt Arbeitszeit
Die Mitarbeitenden erfassen ihre Arbeitszeit mit einem spezifischen Code, und die direkten Vorgesetzten genehmigen diese. Die Entwicklung bei den Arbeitsformen der Zukunft geht klar in Richtung Führung über Ziele und nicht über die Kontrolle der Arbeitszeit (Arbeitszeiterfassung).
Dass beim Pendeln gearbeitet wird, besonders, wenn die Pendelzeit eine Stunde oder mehr beträgt, wie bei vielen Bundesbeamten, das ist nicht neu. Oftmals wird das vom Arbeitgeber sogar vorausgesetzt, aber nicht als Arbeitszeit angerechnet. Obwohl die gesetzlichen Richtlinien aus arbeitsrechtlicher Sicht eigentlich glasklar sind.
Liest man ein berufliches E-Mail, arbeitet man.
So sieht es auch Thomas Geiser, emeritierter Professor für Arbeitsrecht der Uni St. Gallen: «Telefonieren und E-Mails in der Freizeit für den Beruf ist arbeiten und nicht Freizeit. Also wenn man beginnt, ein berufliches E-Mail zu lesen, dann arbeitet man. Das ist schlicht und einfach Arbeit und zählt als Arbeit und Arbeitszeit.»
Nicht für alle Unternehmen praktikabel
Beim Arbeitgeberverband begrüsst man die Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitsorten grundsätzlich. Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband sieht Vorteile für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite.
Diese Regelung ist nicht für alle Unternehmen praktikabel.
«Wenn beide Seiten sich treffen, dann kann durchaus der Arbeitsweg eine interessante Möglichkeit sein, um bereits dort mit dem Arbeiten zu beginnen», sagt Greuter. «Es ist aber nicht so, dass das eine Regelung ist, die generell für alle Arbeitsformen, für alle Unternehmen praktikabel wird.»
Die Tendenz ist klar: Arbeitszeit und Arbeitsort werden immer flexibler. Problematisch dabei: Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verwischt immer mehr. Der Bund hat die Gefahr der Gratisarbeit nun erkannt.