Zum Inhalt springen

Wetterextreme «Slow Water»: Projekt gegen Wassermangel und Überschwemmungen

Mehr Trockenphasen und Starkregen wegen Klimawandel – ein Pilotprojekt will Niederschläge speichern statt ableiten.

Ein Wolkenbruch liess letzten Sommer blitzartig das kleine Immenbächlein in Riehen bei Basel überlaufen, was im Dorf zu Überschwemmungen führte. Auch verwüstet wurde ein Schopf des jungen Bauern Robin Fischer, dessen Hof weiter oben im Moostal steht.

Für mich als Landwirt ist primär wichtig, dass der Humus da bleibt, wo ich ihn gebrauchen kann.
Autor: Robin Fischer Hof-Pächter im Moostal in Riehen (BS)

Bei ihm löste dieses Ereignis ein Umdenken aus: Man müsste das Wasser doch bremsen und das Dorf schützen können, sagte er sich. Und «für mich als Landwirt ist primär wichtig, dass der Humus da bleibt, wo ich ihn gebrauchen kann.» Zumal Ernten auch bei Trockenheit kleiner ausfallen.

Flurschaden
Legende: Durch dieses Feld im Moostal oberhalb von Riehen floss im August 2022 bei einem heftigen Gewitter viel Wasser ungehindert Richtung Tal. Neben Flurschaden führte dies auch zu Überschwemmungen im Dorf. SRF/Laura Baldini

Genau diese Stossrichtung verfolgt das Projekt « Slow Water » des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft im Baselbiet in Kooperation mit dem Kanton Luzern. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet durch die Universität Basel und soll durch das Bundesamt für Landwirtschaft BWL finanziert werden. Robin Fischer nimmt daran teil.

Das Projekt «Slow Water»

Box aufklappen Box zuklappen

Das Projekt «Slow Water» will betriebsindividuelle, einzugsgebietsbezogene Retentionsstrategien in Zusammenarbeit mit Gemeinden und ihren Landwirtinnen und Landwirten entwickeln und auf deren Wirkung überprüfen.

Neben Riehen in Basel-Stadt ist sind im Kanton Baselland die Gemeinden Anwil, Buckten, Känerkinden, Kilchberg, Läufelfingen, Oltingen, Rümlingen, Rünenberg, Wenslingen, Wittinsburg und Zeglingen beteiligt. Im Kanton Luzern sind es Luthern, Hergiswil b. Willisau, Willisau, Menznau, Romoos und Reiden.

Zu den Zielen von «Slow Water» gehören:

  • Langfristige Erhaltung der Ertragsfähigkeit in Pflanzenbau und Tierhaltung durch Sicherung der Wasserverfügbarkeit
  • Verhinderung von Erosion
  • Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit
  • Sichern von Quellwasser
  • Sicherstellen der Wasserversorgung

Als konkrete Retentionsmassnahmen hat das Projekt unter anderem Humusaufbau, Begrünungen, Teiche, Terrassierung oder Entsiegelung von Flächen im Visier.

Bodenerosion verhindern und Wasser im Boden zurückbehalten: So schlägt man zwei Klimawandel-Fliegen mit einer Klappe. Riehen ist eine von zwei Pilotregionen dieses Projektes.

Im Gebiet beim Immenbächlein seien früher viele kleinere Parzellen gewesen, erklärt Ebenrain-Leiter Lukas Kilcher. Mit der Zeit seien diese zu grossen Feldern zusammengelegt worden, die Landmaschinen gewachsen, Land mittels Drainagen trockengelegt und Bäche in Rohren unter dem Boden versenkt worden. So wollte man früher das Wasser schnell ableiten.

Slow Water ist eine 180-Grad-Umkehr des bisherigen Denkens.
Autor: Lukas Kilcher Leiter Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur &Ernährung BL

Genau dies sei heute eben nicht mehr sinnvoll, sagt Kilcher: «Slow Water ist eine 180-Grad-Umkehr des bisherigen Denkens.» Heute müsse man Wasser zurückbehalten, mit sogenannten Retentionsmassnahmen. Schon oben im Wald wird dazu Bachwasser auf breite Flächen geleitet zum Versickern.

Bach im Wald
Legende: Der Immenbach in Riehen fliesst im Oberlauf im Wald frei, aber verschwindet vor dem Siedlungsrand unter dem Boden. zVg/Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt

Weitere Massnahmen seien Hecken und Bäume, deren Wurzeln Wasser aufnehmen, und ein offenes Auffangbecken. Zudem könne man weiter unten den Bach wieder freilegen. «Slow Water» ist auf sechs Jahre angelegt und soll offiziell im kommenden Jahr starten.

Für das Projekt arbeiten Fachleute mit Bäuerinnen und Bauern zusammen – ohne deren Einverständnis geht es nicht. Das Freilegen des in Rohren vergrabenen Baches ist bei Landwirten im Riehener Moostal derzeit noch unbeliebt. Klicher hofft indes auf Lerneffekte aus Überschwemmungen, weil weggeschwemmte Ackerflächen auch Ernteverluste bedeuten.

Bauer auf einem trockenen Acker
Legende: Lukas Kilcher auf einem trockenen Acker in Wenslingen (BL). ZVG/Janis Erne

Für Robin Fischer ist der Handlungsbedarf klar. «Ich bin noch nicht so alt und möchte meine Karriere als Landwirt durchziehen. Das bedeutet, es mit der Natur aufzunehmen, zu versuchen, miteinander statt dagegen anzukämpfen – das Wetter kann niemand beeinflussen.»

Er hat inzwischen seine Bewirtschaftung angepasst: Neben dem Maisfeld lässt er breite Grasstreifen unbebaut, damit Wasser abfliessen kann. Und er pflügt seinen Boden weniger tief um, sondern lockere nur die oberste Schicht vor der Aussaat, was mehr Feuchtigkeit darin behalte.

Echo der Zeit, 17.08.2023, 18:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel