Die Forschungsstation «Station Dome Concordia» liegt auf einem Hochplateau mitten im antarktischen Eis, 1000 Kilometer von der Küste entfernt. «Wenn man aus dem Fenster blickt, sieht man eine unendliche Fläche an Eis», beschreibt die 34-jährige Berner Ärztin Jessica Studer die Umgebung rund um die Forschungsstation.
«Man fühlt sich teilweise alleine und sehr weit entfernt von unserer Welt. Man kommt sich ein bisschen vor wie auf einem anderen Planeten.»
Wie auf einem anderen Planeten: Die Forschungsstation Concordia
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Bild 1 von 8. Die Forschungsstation Concordia liegt mitten in der Antarktis. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 2 von 8. Man erreicht sie nur mit einem Flugzeug – aber nicht das ganze Jahr durch. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 3 von 8. In den Sommermonaten seien mehrere Leute in der Antarktis am Forschen. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 4 von 8. Wenn es jedoch zu kalt ist draussen – Minus 80 Grad oder kälter – kann hier kein Flugzeug landen. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 5 von 8. «Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn man mit dem Flugzeug ankommt und weiss, dass man ein Jahr hier isoliert ist», sagt Studer. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 6 von 8. Man fühle sich teilweise alleine und sehr weit entfernt von unserer Welt. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 7 von 8. Man komme sich sehr klein vor - wie auf einem anderen Planeten. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 8 von 8. «Es verändert sich nicht viel bis auf die Farben vom Himmel.». Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
Gemeinsam mit einer zwölfköpfigen Crew verbrachte Studer ein Jahr in dieser extremen Umgebung. In der Nacht kann es durchaus minus hundert Grad Celsius kalt werden. So kalt, dass das Team bei einem medizinischen Notfall nicht gerettet werden könnte, denn kein Flugzeug kann bei diesen Temperaturen landen und wieder abheben. Man ist isolierter als im Weltraum. Während der Polarnacht herrscht zudem lange Dunkelheit.
Das sind ideale Bedingungen, um zu erforschen, welche Auswirkungen Isolation und Dunkelheit auf den menschlichen Körper haben. Erkenntnisse, die künftigen Missionen im Weltall helfen sollen.
Psychische und physische Herausforderungen
«Es sind grosse Herausforderungen, die sowohl psychisch als auch physisch anstrengend sind», erklärt Studer. «Es gibt Stressmomente, es gibt depressive Momente, man ist isoliert von der Welt.»
Die Forscherin führte dazu mehrere Tests an der Crew, aber auch an sich selbst durch und beobachtete, wie sich Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erinnerung oder Orientierung über das Jahr veränderten.
«Es ist interessant, wie vor allem die kognitiven Fähigkeiten abnehmen.» Das sei wichtig zu wissen, wenn man eines Tages zum Mars fliegen wolle und dies eine Mission von zwei bis drei Jahren werden könnte.
So hat die Ärztin in der Antarktis geforscht
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Bild 1 von 6. Jessica Studer führte diverse Tests und Untersuchungen mit der Crew durch. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 2 von 6. Es gab Ultraschall- oder Blutuntersuchungen, Speichelentnahmen – sogar der Stuhl wurde getestet. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 3 von 6. Neben körperlichen Untersuchungen gab es auch Fragebögen oder kognitive Tests. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 4 von 6. Die Kandidaten mussten zum Beispiel eine Sojus-Kapsel auf die ISS steuern. Dabei wurde die Sauerstoffsättigung im Gehirn gemessen. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 5 von 6. Denn insbesondere die kognitiven Fähigkeiten hätten mit der Zeit abgenommen. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
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Bild 6 von 6. Bei all den Untersuchungen wurde geschaut, wie sich die Umgebung auf den Körper auswirkt. Bildquelle: zvg/ESA/IPEV/PNRA.
Diese Erkenntnisse sind jedoch nicht nur für die Raumfahrt relevant. Studer sieht auch Anwendungsmöglichkeiten in der Forschung über Alzheimer oder Parkinson.
Zudem wurden in der Station neue medizinische Technologien getestet, die in abgelegenen Regionen der Erde zum Einsatz kommen könnten: Ultraschall oder MRI. Sie hätten das erste portable MRI ausführen und die ersten Schnittbilder vom Gehirn machen dürfen.
Der Drang nach Neuem
Die extreme Isolation hatte aber auch positive Aspekte. «Man ist nicht mit Alltagskonflikten beschäftigt, sondern beschäftigt sich wirklich nur mit dem, was man gerade tut. Das bringt Ruhe und Gelassenheit.»
Ich wünsche mir, wieder in diese Welt entfliehen zu können.
Trotz der Herausforderungen würde Studer jederzeit wieder in die Antarktis zurückkehren. «Ich wünsche mir teilweise sogar, wieder in diese Welt entfliehen zu können», gesteht sie.
Studers Weg zur Weltraummedizin war ungewöhnlich. Ursprünglich studierte sie klassische Musik und arbeitete als Musiklehrerin, bevor sie sich für ein Medizinstudium entschied. «Mich haben das Unbekannte und das Extreme immer interessiert», sagt die 34-Jährige.
Projekt Asclepios – Eine Weltraummission in der Schweiz
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Bild 1 von 6. Bevor Jessica Studer in die Antarktis kam, machte sie bereits in einem Weltraumprojekt in der Schweiz mit. Bildquelle: zvg/Asclepios/Jessica Studer.
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Bild 2 von 6. Beim Projekt Asclepios wurde eine Weltraummission hier auf der Erde simuliert. Bildquelle: zvg/Asclepios/Jessica Studer.
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Bild 3 von 6. Das Interesse an der Weltraumforschung habe sie wohl von ihrer Mutter. «Wir sind immer hinausgegangen und haben die Sterne beobachtet.». Bildquelle: zvg/Asclepios/Jessica Studer.
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Bild 4 von 6. Die Mission in der Schweiz hätten sie selbst aufgebaut, auch ein eigenes Mission Control Center. Bildquelle: zvg/Asclepios/Jessica Studer.
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Bild 5 von 6. Dabei lerne man als Studierende, was es brauche, solche Missionen auf die Beine zu stellen und arbeite dabei auch international zusammen. Bildquelle: zvg/Asclepios/Jessica Studer.
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Bild 6 von 6. Diese Mission in der Schweiz hat geholfen, dass Jessica Studer danach bei der Franzöischen Weltraumagentur ein Praktikum machen konnte. Bildquelle: zvg/Asclepios/Jessica Studer.
«Ich hatte schon immer einen Drang, Forschung in etwas zu betreiben, das die Menschheit weiterbringt.» Etwas alleine sei ihr nie genug gewesen, weshalb sie zur Weltraummedizin gekommen sei.
Das sei nicht immer einfach gewesen, aber die Zeit in der Antarktis habe sie bestärkt: «Nach dieser Erfahrung kann ich sagen, ich habe den richtigen Weg eingeschlagen.» Nun plant sie, ihre Karriere in der Weltraum- und Luftfahrtmedizin in den USA fortzusetzen.