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Wildwuchs bei Cannabispolitik «Prohibition ist die dümmste Form der Regulierung»

Stossende kantonale Unterschiede, die liberale Drogenpolitik ein Mythos: Ein renommierter Fachmann geisselt die Politik.

Michael Herzig befasst sich seit vielen Jahren mit der Schweizer Drogenpolitik. Seine Stimme hat Gewicht. Er war sechs Jahre der Drogenbeauftragte der Stadt Zürich und zehn Jahre Leiter der Drogenhilfe.

Nun fällt er ein vernichtendes Urteil über die Schweizer Cannabispolitik: «Prohibition ist die dümmste Form der Regulierung.» Bei näherer Betrachtung zeige sich, dass man unter Umständen das Gegenteil dessen erreiche, was man eigentlich bezweckt habe.

Jeder Kanton, wie er will

Dadurch, dass der Konsum von Cannabis in der Schweiz verboten sei, würden die Konsumentinnen und Konsumenten in den Schwarzmarkt gezwungen. Sie hätten also keine Kontrolle über die Qualität der Produkte, die sie konsumierten. Diese Politik führe also zu mehr Gesundheitsschäden, so der 53-jährige Drogenfachmann.

Weiter stört sich Herzig daran, dass die Kantone sehr unterschiedlich mit der verbotenen Substanz Cannabis umgehen. In gewissen Deutschschweizer Kantonen komme ein Konsument bei einer Polizeikontrolle oft praktisch ungeschoren davon, in anderen Kantonen kriege er dagegen eine Busse von bis zu 1500 Franken, zum Beispiel im Kanton Wallis.

Es fehle die Rechtssicherheit, kritisiert Herzig: «Man weiss nicht genau, ob und wie hart man bestraft wird. Auf die Betroffenen wirkt das willkürlich.» Es sei nicht gerechtfertigt, dass die Behörden das Kiffen teilweise härter bestraften als das Alkoholtrinken: «Man kann den Führerausweis wegen Cannabisbesitzes verlieren, obwohl man gar nicht damit im Strassenverkehr erwischt worden ist.»

Ich würde Konsum, Besitz, Anbau und Handel mit Cannabis auf legale Weise regulieren.
Autor: Michael Herzig Drogenfachmann

Herzig kritisiert also, dass jemandem der Führerausweis entzogen werde, wenn diese Person in einem Park sass und einen Joint rauchte, sich also nicht im Strassenverkehr bewegte. Da werde mit unterschiedlichen Ellen gemessen.

Der Status quo der Cannabis-Politik

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SRF-Bundeshausredaktor Dominik Meier bestätigt: Durch das «schwammig formulierte Gesetz» hätten Polizei und Staatsanwaltschaft grossen Handlungsspielraum beim Entscheid, ob sie Kiffer laufen lassen, ihnen eine Ordnungsbusse auferlegten oder gar eine Strafanzeige veranlassten. «Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundes bezeichnet die Kriterien als ‹sonderbar›.»

Das Parlament könnte das Gesetz präziser formulieren und damit die kantonale Cannabispraxis vereinheitlichen, sagt Meier: «Im Bundeshaus ist das aber derzeit kaum ein Thema.» Und der Bundesrat setze auf Richter statt Politiker: «Er sagt, dass das Bundesgericht die Praxis schrittweise mit Urteilen vereinheitlichen werde.»

Eine vollständige Cannabis-Legalisierung sei in Bundesbern derzeit kein grosses Thema, auch wenn es Ideen für eine Volksinitiative gebe. Diverse Städte planen derzeit allerdings Pilotversuche. Sie wollen beim Bund beantragen können, dass in Apotheken oder auch Hanfläden versuchsweise Cannabis verkauft werden darf.

Natürlich sei Cannabis nicht harmlos. Aber wenn man den Anbau, den Handel und den Konsum verbiete, könne der Staat auch keinen Einfluss auf die Qualität nehmen. Herzig plädiert deshalb für eine Legalisierung von Cannabis in der Schweiz: «Ich würde Konsum, Besitz, Anbau und Handel mit Cannabis auf legale Weise regulieren. So wie es bereits in anderen Ländern gemacht wird.»

Denn das Ziel einer drogenfreien Gesellschaft werde mit dem Verbot nicht erreicht. Wenn Cannabis legal wäre, würde sich das zudem positiv auf die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten auswirken, ist Herzig überzeugt. Und das sei schliesslich das Wichtigste.

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