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Windpark in Norwegen Schweizer Investment verdrängt Indigene

Das Wichtigste in Kürze

  • Grüne Energie für die Zukunft: So verkauften die Unternehmen Credit Suisse und BKW ihr Millionen-Investment in den norwegischen Windpark «Fosen Vind».
  • Tatsache ist: Eine indigene samische Rentiergemeinschaft hat Klage gegen den Windpark eingereicht wegen Verletzung des Menschen- und Völkerrechts.
  • Die Investoren aus der Schweiz halten dagegen, es sei alles rechtens verlaufen.

Sein ganzes Leben lang hat der 69-jährige Rentierhalter Arvid Jama für den Weidegrund seiner wilden Tiere gekämpft. Doch jetzt ist es so ernst wie noch nie. Auf einem seiner kostbarsten Winterweide-Gebieten auf «Storheia» in Norwegen wird eine Windanlage gebaut. Rentierhalter Jama sagt: «Sie attackierten meine Weideflächen. Sie machen alles, um meinen Rentieren den Boden zu nehmen. Es ist ein neuer Kolonialismus.»

Rentierhalter kämpfen gegen Grosskonzerne

Arvid Jama versucht die Weidegründe seiner 30-köpfigen Samengemeinschaft zu retten. Sie klagen in Norwegen gegen die Enteignung. Die Samen haben aber auch international Beschwerde eingereicht beim UNO-Ausschuss für Rassendiskriminierung (CERD) in Genf. «Der Windpark verschlingt einen Drittel unserer Winterweiden. Damit ist unsere Existenz bedroht», sagt Jama.

Auch Naturschützer üben Kritik am Windpark

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Der Onshore-Windpark «Fosen Vind» steht nicht nur wegen der Missachtung der samischen Kultur in der Kritik. Bei der Lizenzvergabe reichten auch mehrere Naturschutzorganisationen Klage gegen den Windpark ein. Unter anderem die grösste norwegische Naturschutzorganisation «Naturvernforbundet».

Der Generalsekretär der Region Trondheim, Hallgeir Opdal, sagt: «Dieses Gebiet ist bezüglich der Biodiversität äusserst wertvoll. Insbesondere wegen der Vögel. Verschiedene Arten auf der roten Liste brüten dort. Es hat Sumpflandschaft, Urwald und sehr viel wertvolle und ursprüngliche, unberührte Natur.» Erneuerbare Energie würden sie begrüssen, sagt Opdal. Der Windpark auf der Halbinsel «Fosen» sei aber ein Unsinn. Es sei falsch, Windparks in völlig unberührter Natur aufzustellen. Diese Flächen seien in den letzten Jahrzehnten in Norwegen erschreckend geschrumpft.

Das Investoren-Konsortium aus der Schweiz, mit Credit Suisse und BKW, sagt dazu: «Es ist ein Fakt, dass jeder Eingriff in die Natur Auswirkungen hat. Den müssen wir als Akteure so gering wie möglich halten. Ursprünglich waren in der Gegend bedeutend mehr Anlagen und Windparks geplant. Genau aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes und aus Rücksicht auf die indigene Bevölkerung und die Rentierzucht haben die Behörden die Zahl der Parks reduziert und deren Fläche deutlich verkleinert.»

Arvid Jama gehört zu den rund zehn Prozent Samen, die noch Rentiere halten. Diese sind für die samische Kultur zentral: Sprache und Identität sind eng mit der Rentierhaltung verknüpft. Thomas Ahren, Mitglied des norwegischen Parlaments der Samen: «Fakt ist, Rentierhalter sind Träger unserer Kultur. Vor allem hier in der Gegend der Südsamen. Verschwinden sie, gibt es auch die Samen-Kultur nicht mehr, die wir heute kennen.»

Geld aus der Schweiz

Ein Teil der Windpark-Investoren kommt aus der Schweiz: Die Grossbank Credit Suisse und der Energiekonzern BKW beteiligten sich vor zwei Jahren finanziell am Projekt in Norwegen.

Die beiden Schweizer Firmen sind Teil des Konsortiums Nordic Wind Power DA, dem 40 Prozent des Windparks gehört. Haupteigentümer ist der staatliche norwegische Energiekonzern Statkraft. Sie alle bestreiten, die Rechte der indigenen Samen zu verletzen. Trotz eines hängigen Verfahrens haben die Konzerne aber eine vorzeitige Baubewilligung erwirkt und mit den Arbeiten auf dem umstrittenen Gelände begonnen.

Stellungnahme «Statkraft»

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Der staatliche norwegische Energiekonzern «Statkraft» ist mit einem Anteil von 52.1 Prozent der Haupteigentümer des Windparks «Fosen Vind» in der Nähe von Trondheim.

Der Statkraft-Konzern sagt, er habe sämtliche Prozesse zur korrekten Durchführung eines solchen Windpark-Projekts eingehalten. Weder Menschen- noch Völkerrecht werde verletzt. Die betroffene indigene Rentiergemeinschaft habe man während der Lizenzierung des Windparks konsultiert und ihre Anliegen in diesem Verfahren besonders hoch gewichtet.

Die Lizenzierungsbehörde sei zum Schluss gekommen, dass die Rentiergemeinschaft durch den Windpark in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht bedroht sei. «Statkraft» anerkennt zwar, dass der Windpark negative Auswirkungen für die Rentierhalter habe. Diese würden aber vollumfänglich entschädigt, und man sei überzeugt, dass eine Co-Existenz von Windanlage und Rentieren auf «Storheia» möglich sei.

NGO kritisiert Schweizer Investoren

Auf Anfrage von «Kassensturz» überprüft die NGO Gesellschaft für bedrohte Völker den Vorgang beim Bau des umstrittenen Windparks in Norwegen. Projektleiterin Angela Mattli kommt zum Schluss: «Hier wird Menschen- und Völkerrecht verletzt. Das Recht der Samen auf Selbstbestimmung und Anhörung wurde nicht wahrgenommen. Es ist Aufgabe der Schweizer Investoren, diesen Sachverhalt unabhängig zu prüfen.»

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert die Schweizer Investoren auf, sich aus der umstrittenen Windanlage «Storheia» zurückzuziehen, solange keine einvernehmliche Lösung mit den Samen vorliegt.

UNO-Kommission fordert Baustopp

Rentierhalter Arvid Jama ist besorgt um die Zukunft seiner Gemeinschaft. «Ich bin ein Befürworter der grünen Energie. Aber nicht, wenn sie das Land und die Perspektive unserer Kinder raubt.» Doch nun winkt dem Volk der Südsamen Hoffnung: Der UNO-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung (CERD) ist auf seine Klage eingetreten. Der Ausschuss fordert einen Baustopp auf «Storheia», solange der Fall nicht geklärt ist.

«In der Schweiz blockieren Einsprachen Windpark-Projekte»

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Interview mit Reto Rigassi , Geschäftsführer von Suisse-Eole, über die Situation in der Schweiz.

BKW und Credit Suisse nehmen dazu kurz und knapp Stellung: «Das Konsortium hat den Brief des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte an den norwegischen Staat zur Kenntnis genommen und wird diesbezüglich den Kontakt mit den Behörden suchen.»

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