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Wirbel in der Waadt Finanzdirektorin Valérie Dittli in Steuer-Affäre verwickelt

Valérie Dittli, Finanzdirektorin im Kanton Waadt, steht in der Kritik: Als gebürtige Zugerin behielt sie ihren Steuersitz bis vor kurzem in Oberägeri, als Wochenaufenthalterin. Somit zahlte sie bisher keine Steuern in der Waadt.

«Grundsätzlich darf man so was schon. In der Praxis kommt es darauf an, wo sich der Lebensmittelpunkt der Person befindet.» Olivier Weber kennt sich aus mit Steuern. Er ist nicht nur Steuerexperte, sondern Präsident der Schweizerischen Vereinigung Diplomierter Steuerexperten (SVDS).

Weber äussert sich auf Anfrage von SRF zum Fall Dittli, der in der Romandie teilweise auf Kritik stösst: Die 30-Jährige lebt seit 2016 in Lausanne, wo sie studiert, doktoriert und sich politisch engagiert hat. Den Hauptwohnsitz und damit auch den Steuerwohnsitz behielt sie aber laut Recherchen des Westschweizer Fernsehens RTS bis vor kurzem in Oberärgeri ZG, wo ihre Eltern lebten – und zahlte als Waadtländer Finanzdirektion bisher keine Steuern im Waadt.

Eine Zugerin in der Waadtländer Regierung

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Als Polit-Neuling schaffte die gebürtige Zugerin Valérie Dittli die Sensation, als sie im April 2022 für die bis anhin nicht vertretene Mitte in die Waadtländer Regierung einzog. Dies kam nicht zuletzt dank der bürgerlichen Allianz zustande. Nun sorgt die Nachricht, dass die Deutschschweizerin in der Waadt keine Steuern gezahlt hat, für eine weitere Überraschung.

Obwohl Dittli in Lausanne studiert und doktoriert hatte, behielt sie ihre Wurzeln in Oberägeri ZG. Dort hat sie gemäss eigenen Angaben auf dem Bauernhof der Familie geholfen, war in einer Guggenmusik und schrieb auch ihre Doktorarbeit zu Hause, «auf Anweisung meines Professors», so Dittli im RTS-Interview.

«Im Fall von Valérie Dittli kann ich nachvollziehen, dass sie sich weiterhin in Oberägeri daheim gefühlt hat, weil das gemäss ihren Aussagen das Zentrum ihrer Lebensinteressen war», erklärt Steuerexperte Weber seine Einschätzung.

Verständnis und Kritik

Was Dittli passiert sei, passiere anderen auch, so Olivier Weber: Häufig verpasse man den Moment, an dem man eigentlich sagen sollte, dass man den Hauptwohn- und damit auch den Steuerwohnsitz wechseln sollte, weil man sich beruflich woanders engagiert. Verwurzelt fühle man sich aber noch immer dort, wo man früher war. Ähnlich formulierte es Fabien Liégeois, Genfer Anwalt für Finanzrecht, in einem RTS-Interview: «Als junge Person will man häufig nahe sein bei den Eltern, man will Kollegen sehen und am Wochenende heimkommen.»

Aurélien Barakat, ein weiterer Steuerexperte, der bei RTS zu Wort kommt, ist etwas kritischer: Der Arbeitsort sei normalerweise ein überwiegendes Argument, um dort den Steuerwohnsitz zu haben.

Dass die heutige Waadtländer Finanzdirektorin damals im steuergünstigeren Kanton Zug blieb, um Steuern zu optimieren, glaubt Steuerexperte Olivier Weber übrigens nicht. «Die Steuerdifferenz bei einer Studentin mit Assistentinnenstelle ist fiskalisch irrelevant.» Er gehe nicht davon aus, dass bei der damals unter 30-Jährigen die finanzielle Frage im Vordergrund stand oder dass Dittli eine aktive Steuerplanung gemacht habe. Hingegen macht er ein Fragezeichen bei einem anderen Punkt.

Hin und her zwischen Lausanne und Oberägeri

Bevor Dittli Regierungsrätin wurde, kandidierte sie schon einmal für ein politisches Amt: 2021 will sie ins Stadtparlament von Lausanne gewählt werden und verlegt dafür ihren Hauptwohnsitz dorthin – jedoch nur vorübergehend. Nachdem sie nicht gewählt wird, verlegt sie den Sitz wieder nach Oberägeri. Dazu Olivier Weber: «Wenn ich mich wählen lassen will, dann sollte ich auch verbunden sein mit dem Ort – und nicht andernorts stärker verbunden sein.» Es sei eine politische Frage, wie man damit umgehen wolle. Er persönlich finde das etwas unschön.

Die Waadtländer Finanzdirektorin Valérie Dittli während einer Medienkonferenz (22.09.22)
Legende: Valérie Dittli während einer Medienkonferenz am 22.09.2022. KEYSTONE/Laurent Gillieron

Deutlich weiter gehen die Waadtländer Jungsozialen: Sie verlangen Dittlis Rücktritt. Bürgerliche Politiker wie der Waadtländer FDP-Präsident Marc-Olivier Buffat hingegen verteidigen gemäss Medienberichten die Mitte-Politikerin.

Thema auch im Waadtländer Kantonsparlament

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Die Medienberichte über den früheren Steuersitz von Valérie Dittli (Mitte) haben auch im Grossen Rat Wellen geworfen:

Linke Parteien forderten ein unabhängiges Steuergutachten. Der Präsident der SP Waadt, Romain Pilloud, forderte die Kantonsregierung dazu auf, ein solches Gutachten in die Wege zu leiten. «Es geht nicht darum, anzuklagen, sondern zu verstehen», sagte er im Kantonsparlament. Es sei nicht Sache der Staatsrätin, ein solches Gutachten in Auftrag zu geben.

Hadrien Buclin erklärte für die Fraktion «Ensemble à Gauche/POP», neben einem unabhängigen Steuergutachten müsse auch die Problematik der «Abzüge für die Transportkosten zwischen Lausanne und Zug» angesprochen werden.

Dagegen kritisierte Céline Baux (SVP) die «politischen Angriffe von namenloser Niedertracht» und den «billigen Boulevardjournalismus» und verurteilte die Rücktrittsforderung der Juso.

Florence Bettschart-Narbel (FDP) forderte ihrerseits «etwas Ruhe und Würde in diesem Dossier». Sie führte die Angriffe auf Dittli darauf zurück, dass es die Linke schlecht verdaut habe, dass sie bei den letzten kantonalen Wahlen einen Sitz an die Mitte verloren habe.

Die Regierung habe die verschiedenen Interventionen zur Kenntnis genommen, sagte Staatsratspräsidentin Christelle Luisier (FDP). Der Staatsrat werde zu gegebener Zeit antworten und zum jetzigen Zeitpunkt keine Kommentare abgeben.

Zum Fall hat Staatsrätin Dittli gegenüber SRF keine Stellung genommen. Laut Medienberichten will sie den Fall nun extern überprüfen lassen, um Transparenz zu schaffen.

Schweiz aktuell, 06.03.2023, 19:00 Uhr

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