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Wird beim Sammeln getrickst? Auf Stimmenfang mit falschen Angaben

Eine Unterschriftensammlerin gibt fälschlicherweise an, es gehe um ein Ja zum Vaterschaftsurlaub. Absicht oder Irrtum?

Das ist die Recherche, die aufhorchen lässt: «Mise au point» , eine Sendung des Westschweizer Fernsehens RTS, hat mit versteckter Kamera gefilmt, wie auf der Strasse Unterschriften für Referenden und Initiativen gesammelt werden. Dabei hat sich gezeigt, dass es offenbar zu Tricksereien kommt. In dem Fall geht es um das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub, das soeben bei der Bundeskanzlei eingereicht wurde. Auf der Strasse seien Unterschriften gesammelt worden, bei denen die Sammler angaben, sie würden Unterschriften für diesen Vaterschaftsurlaub sammeln, nicht dagegen.

Dabei wurde bereits ähnliche Kritik laut: «Es ist nicht das erste Mal, dass solche Vorwürfe in der Romandie auftauchen», sagt Andreas Stüdli, Westschweiz-Korrespondent von SRF. Vor einem Jahr ärgerte sich der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard gewaltig über die Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm.

Er stellte damals ein Video von der Unterschriftensammlung in Sitten ins Netz. Man sagte ihm dabei, «wir sammeln Unterschriften gegen Homophobie» – also das Gegenteil dessen, was das Referendum wollte. Reynard gab damals an, dass ihm auch aus anderen Orten in der Westschweiz solche Vorfälle gemeldet worden seien. Allerdings verhallte die Kritik damals folgenlos.

So lief die neueste Konfrontation ab: Ein Reporter von «Mise au point» besuchte Unterschriftensammler auf der Strasse in Lausanne. Dort sagte ihm eine Sammlerin, sie sammle Unterschriften für den Vaterschaftsurlaub. Der Journalist wies sie darauf hin, dass auf dem Unterschriftenbogen «Nein zum kostspieligen Vaterschaftsurlaub» stehe, und ob sie sicher sei. Sie sagt darauf, das sei zwar ihr erster erste Tag als Unterschriftensammlerin, aber ihr Chef habe ihr das so gesagt. Wenn sie ihn richtig verstanden habe, sammle sie Unterschriften für den Vaterschaftsurlaub. Die Frau nahm ihre Aussage allerdings kurz vor der Sendung zurück: Sie habe das Gegenteil sagen wollen.

Das ist das Heikle beim Unterschriftensammeln: Es sind nicht immer die Parteien selbst, die für Unterschriften auf die Strasse gehen. Viele greifen – zumindest punktuell – auf bezahlte Unterschriftensammler zurück.

Verbot von Geld gegen Unterschriften in Genf

Box aufklappen Box zuklappen

Der Walliser SP-Nationalrat Matthias Reynard will Unterschriftensammlungen gegen Bezahlung generell verbieten, sagt er gegenüber Radio SRF: «Ich arbeite an einem Vorstoss, um Unterschriftensammlungen zu verbieten wie im Kanton Genf.» Das gehe gegen die direkte Demokratie. Wie ein solches Verbot ausgestaltet würde, darüber legt Reynard noch keine Details vor. Er hat aber vor allem diese Firmen im Fokus, die mit Unterschriftensammlungen beauftragt werden.

Vorstoss im Parlament

Als einziger Kanton hat Genf Unterschriftensammlungen gegen Bezahlung grundsätzlich verboten. Fälle, bei denen das Verbot durchgesetzt wurde, sind aber keine bekannt. Reynard will den Vorstoss in der nächsten Session im Nationalrat einreichen. Das Thema der Unterschriftensammlungen gegen Bezahlung dürfte bald also nicht nur in der Westschweiz, sondern auch in Bundesbern zu reden geben.

In der Kritik steht in diesem Fall vor allem das Institut Incop. Die Sammlerin, die in Lausanne konfrontiert wurde, war von Incop. Der Verein mit Sitz in Lausanne sammelte in der Westschweiz auch schon bei anderen Volksbegehren Unterschriften. Dessen Chef wies Vorwürfe, man sammle unter falschen Angaben Unterschriften, kategorisch zurück. Die Unterschriftensammler werden jedoch pro Unterschrift bezahlt. «Ob da immer alles korrekt zu und hergeht, wenn der Lohn davon abhängt, ist offen», sagt Korrespondent Stüdli.

So geht es weiter in diesem Fall: Was das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub angeht, steht die Prüfung durch die Bundeskanzlei noch aus. Da ist es also noch unklar, ob dieses Referendum wirklich zustande gekommen ist. «Falls es aber zustande gekommen ist, dann geht die SP Kanton Neuenburg mit ihrer Klage gegen die Unterschriftensammlung bis vor das Bundesgericht», weiss Stüdli. Das hätte sie bereits angekündigt. Die Partei hatte bereits eine Strafanzeige eingereicht, auf die die Staatsanwaltschaft allerdings nicht eintreten wollte. Es droht also noch ein juristisches Nachspiel um diese Unterschriften.

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