Mein Kind schreit, was muss ich tun? Wie lernt mein Sohn essen? Wie setze ich meiner Tochter Grenzen? Das sind klassische Fragen, die Mütter- und Väterberatungen beantworten. Im Bezirk Baden im Aargau stehen aber immer mehr nicht nur Kleinkinder im Fokus, sondern die Dreijährigen.
Der Hintergrund ist, dass es im Aargau Gemeinden gibt, bei denen 90 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben. Im Schnitt kann etwa die Hälfte der Kinder mit drei Jahren nicht genügend gut Deutsch, um ein Jahr später der Kindergartenlehrperson zu folgen.
Deshalb rufen die Beraterinnen der Mütter- und Väterberatung des Bezirks Baden alle Eltern von dreijährigen Kindern an und versuchen, einen Termin für einen Hausbesuch zu vereinbaren. Obligatorisch ist dies nicht, 80 Prozent der Eltern liessen es aber zu, sagt Annegret Gerber, die Leiterin der Beratungsstelle.
Entwicklung des Kindes im Fokus
Bei den Besuchen geht es darum, das Kind zu beobachten. Bei etwa zehn Prozent der Hausbesuche können die Beraterinnen den Eltern Tipps geben, wenn sie sehen, dass das Kind körperlich oder psychisch nicht so entwickelt ist, wie es ein Dreijähriges sein sollte.
Dazu gehören etwa heilpädagogische Früherziehung oder auch einmal ein zusätzlicher Besuch beim Arzt oder der Ärztin. «Wir können helfen, denn wir kennen die Angebote, die es gibt», sagt Annegret Gerber. «Es geht darum, den Kindern die Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, die es bräuchte.»
Das Hauptaugenmerk legt die Mütter- und Väterberatung bei den Besuchen allerdings auf die Sprache. Spricht das Kind kaum Deutsch, weisen die Beraterinnen die Eltern auf Angebote hin, wie etwa Spielgruppen, wo das Kind Deutsch lernen könnte.
«Wenn ein Kind ein Jahr vor dem Kindergarten zweimal in der Woche in eine Spielgruppe geht, kann es so viel lernen, dass es die Kindergärtnerin zumindest versteht», sagt Annegret Gerber. «Ein Kind nimmt sehr schnell viel auf, da kann ein Jahr schon reichen».
Gesellschaftliche Veränderungen
«Ein Kind, das im Kindergarten kein Deutsch kann, hat viel weniger Chancen und das ist schade», begründet Annegret Gerber die Hausbesuche. Dass die Beraterinnen zu den Familien nach Hause gehen, hat aber auch mit gesellschaftlichen Veränderungen zu tun.
Denn früher haben Familien regelmässig das Beratungsangebot von Mütterberatungen angenommen. Heute sei dies viel weniger der Fall, was damit zu tun habe, dass viele Eltern arbeiteten und dafür die Zeit fehle, vermutet Annegret Gerber. Ausserdem würden viele ausländische Familien das Konzept der Beratungsstelle gar nicht kennen.
Deshalb besuchen die Beraterinnen der Mütter- und Väterberatung des Bezirks Baden die Kinder nun also zu Hause und wollen so den Kindern den Start in den Kindergarten ein Jahr später erleichtern.
Das normale Beratungsangebot ist vom neuen Programm nicht betroffen. Nach wie vor können Mütter und Väter auch in Baden vor Ort Fragen stellen wie: Warum schreit mein Kind? Wann soll ich beginnen, Brei zu geben? Oder: Wie setze ich Grenzen?