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Zukunft mit KI Diskussion um Besteuerung künstlicher Intelligenz

Wegen KI werden Jobs verschwinden, Steuereinnahmen wegbrechen. Darum fordert ein Genfer Professor neue Wege.

Xavier Oberson ist kein linker Revolutionär. In seiner schicken Genfer Kanzlei hilft der Anwalt Unternehmen und reichen Leuten, Steuern zu sparen.

Oberson ist aber auch ordentlicher Professor für Steuerrecht an der Universität Genf. Kürzlich hat er ein Buch veröffentlicht zu diesem hochemotionalen Thema, ob und wie künstliche Intelligenz besteuert werden müsse.

Mann hält Mikrofon und Papier während einer Rede.
Legende: Xavier Oberson stellt eine künftige Steuer für Firmen zur Diskussion, die Angestellte durch KI ersetzen. Die eingesparten Löhne könnten besteuert werden, so der Genfer Professor. Keystone / Martial Trezzini

«Neomarxistischer Spinner» sei noch einer der netteren Kommentare, die er für seine Ideen geerntet habe, sagt Oberson. Eine solche Heftigkeit habe er in akademischen Kreisen noch nie erlebt.

Weniger Jobs, weniger Steuereinnahmen

Sein Argument für neue Steuern: Wenn die künstliche Intelligenz so vielen Menschen die Arbeit wegnimmt wie befürchtet, hätte das katastrophale Folgen.

Ohne Einkommen werden die Leute nichts mehr einkaufen, die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer brechen weg.
Autor: Xavier Oberson Steueranwalt und Professor für Steuerrecht in Genf

«Ohne die Einnahmen werden die Sozialwerke zusammenbrechen. Und ohne Einkommen werden die Leute nichts mehr einkaufen, die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer brechen weg.» Gleichzeitig müsste der Staat viele Arbeitslose unterstützen, so Oberson. Seine Schlussfolgerung: «Da müssen wir andere Steuereinnahmen finden.»

Der zweite Grund für eine Besteuerung von Künstlicher Intelligenz sei, dass die neue Technologie die Kluft zwischen Arm und Reich vergrössere.

«Nur wer Kapital investieren kann, profitiert von den steigenden Unternehmensgewinnen dank der Künstlichen Intelligenz.» Wer hingegen auf ein Arbeitseinkommen angewiesen sei, riskiere, seinen Job zu verlieren.

Firmen sollten eingesparte Löhne versteuern

Fragt sich: Wie besteuert man künstliche Intelligenz? Soll jeder intelligente Staubsauger künftig besteuert werden? Oberson verneint. Man müsste auf Unternehmen zielen, die Arbeitsplätze durch künstliche Intelligenz ersetzen.

«Wenn eine Firma ihre Angestellten entlässt und sie mit KI ersetzt, spart sie Löhne. Und diese gesparten Löhne könnte man besteuern.» Das sei ein ähnliches Konzept wie der Eigenmietwert, den Eigenheimbesitzer in der Schweiz versteuern müssen. Alternativ könnte man die Technologie selbst besteuern.

Eine Firma zahlt auch Steuern, wenn sie dank einer grossartigen Erfindung viel Geld verdient. Das bremst die Innovation auch nicht.
Autor: Xavier Oberson Steueranwalt und Professor für Steuerrecht in Genf

Beides sei allerdings nur dann umsetzbar, wenn die wichtigen Wirtschaftsmächte an einem Strick ziehen. Ansonsten würden Unternehmen ihre KI-Aktivitäten einfach in ein Land ohne KI-Steuern verlegen.

Support und Widerstand

Die Idee einer Steuer für künstliche Intelligenz hat mächtige Unterstützer. So spricht sich etwa auch Microsoft-Gründer Bill Gates für eine Robotersteuer aus. Noch grösser ist allerdings der Widerstand der Wirtschaft. Dort sieht man in der neuen Steuer eine Innovationsbremse.

Doch dieses Argument lässt der Genfer Steuerrechtler nicht gelten. Eine solche Steuer sei an sich nichts Schockierendes, sagt Oberson. «Eine Firma zahlt auch Steuern, wenn sie dank einer grossartigen Erfindung viel Geld verdient. Das bremst die Innovation auch nicht.»

Zukunft noch offen

In einem Punkt ist sich Oberson einig mit den Gegnern einer KI-Steuer: Heute braucht es sie noch nicht. Noch ist offen, welche Folgen die neue Technologie haben wird. Vernichtet sie weniger Arbeitsplätze als befürchtet, braucht es auch keine neue Steuer.

Sollten allerdings die Pessimisten recht behalten und die KI tatsächlich viele Arbeitsplätze vernichten, dann könnten die Folgen für Staat und Sozialwerke desaströs sein. Und deshalb sei es besser, ein paar Ideen in der Schublade zu haben, wie man damit umgehen könnte.

Rendez-vous, 1.7.2025, 12:30 Uhr;brus

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