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Zunahme seit Corona-Pandemie Staatsverweigerer beschäftigen vermehrt Politik und Behörden

Eine einheitliche Ideologie gibt es nicht. Doch das Fedpol warnt davor, das Phänomen auf die leichte Schulter zu nehmen.

Der Umgang mit Staatsverweigerern ist alles andere als einfach. Sie bilden keine einheitliche Gruppe. Zu den Staatsverweigerern zählen Querulanten, die ständig die Arbeit von staatlichen Verwaltungen behindern, aber auch Selbstverwalter, die die staatliche Rechtsordnung gar nicht anerkennen, und rechtsradikale Reichsbürger, die selber territoriale Ansprüche erheben.

Es gibt eine gewisse Gewaltbereitschaft, eine gewisse Waffen-Affinität.
Autor: Dirk Baier Kriminologe

Wie viele Staatsverweigerer es in der Schweiz gibt, ist unklar. Der Zürcher Kriminologe Dirk Baier geht von einer vierstelligen Zahl aus. «Sie sind nicht alle gefährlich in dem Sinne, dass sie sowas tun, wie nun in Pfäffikon passiert ist. Aber es gibt eine gewisse Gewaltbereitschaft, eine gewisse Waffen-Affinität. Daher ist es zwingend geboten, genauer hinzuschauen», sagt Baier.

Entführungsfall von Pfäffikon

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Die Kantonspolizei Zürich verhaftete am letzten Freitag einen 64-jährigen Schweizer. Der Mann steht im Verdacht, am 13. Februar in Pfäffikon ZH einen 27-jährigen Gemeindemitarbeiter entführt zu haben. Der 27-Jährige stieg am Donnerstagabend, 13. Februar, auf einem Parkplatz in Pfäffikon in sein Auto, als unvermittelt ein zu diesem Zeitpunkt unbekannter Mann ebenfalls in das Auto stieg, wie die Kantonspolizei Zürich am Dienstag mitteilte. Der Entführer zwang den Fahrer, mutmasslich unter Waffengewalt, loszufahren.

Die Hintergründe der Entführung und das genaue Motiv sind laut Polizei noch nicht restlos geklärt. Verschiedene Medien berichten jedoch, dass der Entführer ein Staatsverweigerer sein soll. Weitere Angaben zum Vorfall machte die Polizei am Mittwochmorgen vorerst keine.

Generell lässt sich sagen, dass in der Schweiz in den letzten fünf Jahren die Probleme mit Staatsverweigerern zugenommen haben. Namentlich mit der Coronapandemie hat die Zahl der Staatsverweigerer zugenommen. Manche haben sich also offensichtlich radikalisiert in ihrem Widerstand gegen Maskenpflicht, Gesundheitszertifikate und Ladenschliessungen.

Es gibt Gruppierungen, die teilweise Gewalt als Notwehr gegen den Staat propagieren.
Autor: Patrick Jean Mediensprecher des Bundesamtes für Polizei (Fedpol)

Eine einheitliche gewalttätige Ideologie gibt es in den Kreisen der Staatsverweigerer zwar nicht. Trotzdem dürfe man das Phänomen auch nicht auf die leichte Schulter nehmen, mahnt Patrick Jean, Mediensprecher des Bundesamtes für Polizei (Fedpol).

«Es gibt Gruppierungen, die teilweise Gewalt als Notwehr gegen den Staat propagieren. Aufgrund der Austausche, die wir mit den Kantonen haben, ist auch von einer Zunahme von Einschüchterungen und Drohungen oder Sabotageakten gegen Amtspersonen auszugehen», sagt Jean.

Verbreitung über Social Media

Radikale Ideen und Verschwörungstheorien, die die Staatsverweigerer verinnerlichen, werden sehr häufig übers Internet und soziale Medien verbreitet. Man weiss, dass diese Kreise dort sehr aktiv sind. Aber auch direkte und persönliche Kontakte spielen eine Rolle.

Menschenmenge auf winterlicher Einkaufsstrasse.
Legende: Die Zahl der Staatsverweigerer hat in der Schweiz seit der Corona-Pandemie zugenommen. KEYSTONE/Ennio Leanza

Staatsverweigerer, die keine Steuern bezahlen, Gerichtsprozesse stören, Gesundheitsvorschriften ablehnen und sich nicht an raumplanerische Regeln halten – für die Behörden sind sie ein ernsthaftes Problem. Denn Leute mit einem solchen Weltbild seien mit rationalen Argumenten meistens nicht zu erreichen, hält Kriminologe Baier fest. 

«Dieses Weltbild unterscheidet dann – das ist für Verschwörungstheorien eigen – sehr klar zwischen Freund und Feind. Und wenn man einmal dieses Schwarz-Weiss-Denken hat, ist es schwierig, da rauszukommen», erklärt Baier.

Einige Staatsverweigerer lenken ein, wenn die staatlichen Behörden durchgreifen und den Lohn, Gegenstände oder das Grundstück der Betroffenen pfänden.  

Bei anderen nützt auch das nichts oder sie lassen die Situation sogar noch weiter eskalieren, wie es jetzt offenbar im Kanton Zürich mit dem Entführungsversuch passiert ist.  

Vorstoss im Parlament hängig

Tatsache ist, dass das Thema auch die Politik beschäftigt. So verlangt der Kanton Zürich, dass der Nachrichtendienst des Bundes die Staatsverweigererszene gezielt beobachtet.  

Im Parlament in Bern ist ein Vorstoss von SP-Nationalrätin Nina Schläfli hängig, der vom Bund einen umfassenden Lagebericht über die Staatsverweigerer verlangt. 

Auf dieser Grundlage soll dann entschieden werden, ob es zusätzliche Gesetze braucht, um mit dieser radikalisierten Szene umzugehen und Behördenvertreter besser zu schützen.

Postulat

Info3, 8.3.2025, 17 Uhr

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