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Zustand des Schweizer Waldes «Das Schlimmste sind mehrere trockene Jahre hintereinander»

Am kommenden Wochenende soll es sehr heiss und trocken werden in der Schweiz. Das erinnert an das Jahr 2018, das in Sachen Trockenheit ein Rekordjahr war. Es regnete damals wochenlang nicht. Dies hatte zur Folge, dass ganze Waldabschnitte abstarben oder stark geschädigt wurden. Andreas Rigling arbeitet für die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und ordnet ein.

Andreas Rigling

Forstexperte

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Andreas Rigling ist für die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) tätig.

SRF News: Wie geht es den Wäldern zurzeit?

Andreas Rigling: Wenn ich zurückdenke ans Jahr 2018, dann bin ich heute sehr glücklich, wenn ich durch die Wälder gehe. Sie sehen zurzeit recht gut aus, auch im Schweizer Mittelland. Wir hatten im Mittelland und im Jura grosse Schwierigkeiten nach 2018 in den Buchenwäldern. Die Wälder sind immer noch geschädigt, aber sie konnten in der Zwischenzeit aufgrund der doch recht feuchten Witterung neue Triebe machen und neue Blätter anlegen. Vor allem letztes Jahr war ein sehr feuchtes Jahr.

Blick in einen Schweizer Bergwald
Legende: Der Schweizer Wald hat mehrere trockene Jahre hinter sich. Das letzte – feuchte – Jahr hat ihm geholfen, sich zu erholen. Keystone

Wie gross schätzen Sie das Risiko für die Wälder ein, wenn eine neue Trockenheitsphase – vergleichbar mit 2018 – kommt?

Wenn der Rest vom Juni, der Juli und der August sehr heiss würden und auch die Niederschläge grossflächig ausblieben, wäre das ganz schlecht, weil die Wälder wie erwähnt vom trockenen Jahr 2018 stark geschädigt sind. Sie sind geschwächt, und wenn wieder eine solche Trockenheit käme, müssten wir damit rechnen, dass die Situation ähnlich wäre wie 2018.

2003 hatten wir eine Jahrhunderttrockenheit. Dann kam in den Jahren 2011, 2015 und 2018 eine Serie von Trockenzeiten. Das hat dazu geführt, dass die Wälder grossflächig geschwächt wurden.

Wie lange braucht ein Baum, um sich zu erholen?

Das ist letztlich die entscheidende Frage. Zwei oder drei feuchte Jahre hintereinander geben dem Wald wieder Luft. Der Wald kann sich so zum Teil wieder erholen. Es hängt aber auch ein bisschen von den Baumarten ab. Im Jahr 2003 hatten wir eine Jahrhunderttrockenheit. Dann hatten wir in den Jahren 2011, 2015 und 2018 eine Serie von Trockenzeiten. Das hat dazu geführt, dass die Wälder grossflächig geschwächt wurden. Ich kann nicht sagen, wie viel es tatsächlich braucht, bis sie sich wieder ganz erholt haben. Zwei, drei Jahre feucht, das wäre eine Wohltat für den Wald.

Wie stark hat der Befall durch den Borkenkäfer mit der Trockenheit zu tun?

Die Trockenheit ist ein Auslöser. Wir sehen häufig, dass die Bäume durch Trockenheit geschwächt werden. Trockenheit und Hitze führen dazu, dass die Bäume sich schützen müssen gegen übermässige Transpiration. Sie schliessen die Spaltöffnungen auf den Nadeln. Dadurch können sie aber auch keine Fotosynthese mehr machen. Das heisst, sie verdursten nicht, aber sie drohen zu verhungern oder sind einfach geschwächt. Meistens kommen dann andere Faktoren wie Borkenkäfer in den Fichtenwäldern oder andere Schädlinge oder Krankheiten, die die geschwächten Bäume angreifen.

Was kann man tun, um den Wald vor weiteren Schäden zu schützen?

Das kommt auch auf die Zeit-Perspektive an. Man kann gewisse Massnahmen treffen, um kurzfristig etwas zu helfen. In gewissen Gebieten könnte man die Wälder stärker durchforsten, in anderen Gebieten nützt das nichts. Aber mittelfristig und langfristig müssen wir uns überlegen, ob wir die Baumartenmischung anpassen können. In vielen Wäldern, gerade auch im Mittelland, haben wir nicht die natürliche Baumartenzusammensetzung. Und dort könnte man versuchen, eine erhöhte Vielfalt hinzukriegen. Vielfalt an verschiedenen Baumarten ist ein Mittel zur Verteilung des Risikos.

  Das Gespräch führte Eliane Leiser.

SRF 4 News, 17.06.2022, 6:18 Uhr ; 

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