Alte Strukturen auflösen, die Kräfte vereinen und mit einem neuen Namen die potenzielle Wählerschaft vergrössern: Das war das Ziel der Fusion von CVP und BDP zur neuen Partei «Die Mitte». Schliesslich hatten beide Parteien mit Wählerschwund zu kämpfen.
Was zuerst auf nationaler Ebene beschlossen wurde, haben inzwischen die meisten Kantonalparteien vollzogen. Die Hoffnung auf Aufschwung überwog gegenüber den kritischen Stimmen, die einen Identitätsverlust befürchteten.
Weg vom «kirchlichen Thema»
Als eine der ersten Kantonalparteien verabschiedete sich jene aus Nidwalden vom «C» im Namen. «Es ist der Versuch, etwas vom kirchlichen Thema wegzukommen. Das wird der Partei auf längere Sicht etwas bringen», gab sich eine Delegierte überzeugt.
Ob das funktioniert, wird sich in Nidwalden schon bald zeigen – im kommenden Frühling sind Wahlen. Und die neue Mitte-Partei ist dringend auf ein Erfolgserlebnis angewiesen. Auf nationaler Ebene hat die Partei nämlich an Zuspruch eingebüsst.
Das jedenfalls zeigt das aktuelle SRG-Wahlbarometer von Mitte Oktober. Und bei den kantonalen Wahlen Ende November in Freiburg verlor die Mitte-Partei erstmals seit Jahrzehnten den Status als stärkste Partei in der Kantonsregierung.
Politologe Claude Longchamp ist darüber wenig erstaunt. Inhaltlich habe sich die fusionierte Partei noch zu wenig profiliert, so seine Diagnose: «Man hat sich damit begnügt, vor allem die Werte zu benennen. Dass man ein bisschen fortschrittlich und solidarisch sein will. Dass man aber auch staatstragend ist und Verantwortung übernehmen will.»
Diese Werte seien zwar wichtig, aber es brauche noch mehr: nämlich ein politisches Programm. «Davon ist in den letzten zwölf Monaten sehr wenig sichtbar geworden.»
Man hat sich damit begnügt, vor allem die Werte zu benennen. Aber es braucht mehr.
Das streitet Mitte-Präsident Gerhard Pfister nicht ab: «Dieser Eindruck ist im Moment nicht ganz falsch.» Seine Partei habe sich tatsächlich stark mit inneren Reformen beschäftigt. In der nächsten Zeit werde sich dies aber ändern, so Pfister.
Dies unter anderem mit der Initiative zur Kostenbremse im Gesundheitswesen sowie mit zwei Initiativen zur Abschaffung der Heiratsstrafe. Das werde sich bei den kommenden nationalen Wahlen im Jahr 2023 auszahlen, gibt sich der Mitte-Präsident kämpferisch.
Wichtig ist Pfister aber auch, dass der Namenswechsel mit einem Generationenwechsel einhergehen soll. Der Gradmesser dafür ist die Jungpartei. Tatsächlich verzeichne diese so viele Neueintritte wie schon lange nicht mehr: «Wir haben dort unser Ziel erreicht. Es stossen junge Menschen zur Mitte hinzu, die nicht aus einer CVP-Familientradition kommen.»
Die Jungen: «Emanzipierter als früher»
Auch Politologe Claude Longchamp sieht den grössten Effekt bei der Jungen Mitte. «Ich nehme sie als sehr aktiv wahr. Sie ist emanzipierter von ihrer Mutterpartei als früher, macht ihre eigene Politik und ihre eigenen Aktionen.»
Allerdings habe die Junge Mitte auch grossen Aufholbedarf: «Sie beginnt ziemlich weit unten und ist im Vergleich zur Juso oder zu den Jungfreisinnigen eine viel kleinere Partei.»
Am Beispiel der Jungpartei zeige sich deutlich: Der Wegfall des «C» habe besonders jüngere Menschen angesprochen, die mit der konfessionellen Bindung einer Partei weniger anfangen könnten. Longchamp sieht deshalb auch durchaus Potenzial für die Zukunft der Mitte-Partei: «Die Schweiz ist mit ihrem Konsenssystem auf Ausgleich angelegt. Es besteht also genügend Spielraum für eine neue Partei der Mitte.»