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Zwist um Rahmenabkommen Nach der Kavallerie die Kanonenboote

Mit der «Kavallerie» drohte einst der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück den Schweizern. Er wollte sie zur Abschaffung des Bankgeheimnisses bewegen. Das war 2009. Wie die Indianer im Wilden Westen müssten auch die Schweizer bloss glauben, dass es die Kavallerie gebe, die müsse dann «gar nicht unbedingt ausreiten». Und tatsächlich: Kurz nach Steinbrücks Drohung schaffte die Schweiz das Bankgeheimnis für ausländische Bankkunden ab.

Im Gezerre um das Rahmenabkommen und die Börsenanerkennung bedient man sich in der EU-Kommission nun ebenfalls der Kriegsrhetorik, diesmal aus dem Repertoire der Kanonenboote.

Das Ende der Börsenanerkennung sieht der für die Schweiz zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn als «den Warnschuss über den Bug, den sie (die Schweizer) jetzt brauchen». Das schrieb er gestern in einem Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, den SRF einsehen konnte.

Gespräche nicht ernsthaft geführt?

Worum geht es? Am 30. Juni läuft die Anerkennung der Schweizer Börse durch die EU aus. Anders als den USA oder auch Hongkong wurde der Schweiz die Börsenanerkennung nämlich bloss befristet gewährt.

Die EU wollte mit der Befristung erklärtermassen Druck machen auf die Gespräche übers Rahmenabkommen. Seit zehn Jahren fordert sie ein solches Vertragswerk. Der Bundesrat hatte dem Ansinnen im Grundsatz zugestimmt und 2014 mit der EU Verhandlungen aufgenommen. Seit vergangenem November liegt eine «endgültige Fassung» des Abkommens vor.

Doch statt zu unterzeichnen hat der Bundesrat erst einmal Parteien, Interessengruppen und die Kantone konsultiert und die EU schliesslich um «Präzisierungen» des Abkommenstexts ersucht. Zumindest will man sich mit der EU auf eine gemeinsame Auslegung von drei Passagen des Abkommens einigen.

Die EU-Kommission hat sich zu Gesprächen über solche «Präzisierungen» bereit erklärt. Doch nun wirft sie dem Bundesrat vor, diese Gespräche nicht ernsthaft zu führen. Es habe seit einem Treffen mit dem Schweizer Chefunterhändler Roberto Balzaretti in Brüssel keine weiteren Zusammenkünfte gegeben. Es gehe nicht voran.

Kaum positiv für die Stimmung

Und deshalb – zehn Jahre nach Steinbrücks Kavallerie – nun die Drohung Hahns, mit dem Kanonenboot einen Warnschuss abzufeuern. Bloss: Erzielt die Drohung wieder die gewünschte Wirkung?

Das ist zumindest fraglich. Ein Ende der Börsenanerkennung könnte nicht nur der Schweiz, sondern auch Finanzzentren in der EU Schaden zufügen. Zumal die Schweiz einen Schutzmechanismus vorbereitet hat.

Der Warnschuss vom Kanonenboot wirkt im Binnenland Schweiz vermutlich weniger bedrohlich als die Kavallerie-Attacke. Und er dürfte sich, einmal abgefeuert, kaum positiv auf die Stimmung in der Schweiz gegenüber der EU auswirken.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

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