«Sicher, alle hier haben Angst. Das ist kein Scherz, ich lebe einen Kilometer von der Grenze entfernt.» Das sind die Worte eines Mannes, der in der Region Lublin in Polen lebt, einer Region am Schnittpunkt dreier Länder: Polen, Ukraine und Belarus.
Hier droht der Krieg. Ein Krieg, der immer heftiger an die Türen Europas klopft. Und Polen steht an der ersten Linie.
Stimmen aus Ostpolen zur Lage nach dem Drohnenangriff:
In der Nacht vom 9. auf den 10. September verletzten etwa zwanzig Drohnen höchstwahrscheinlich russischen Ursprungs den polnischen Luftraum. Sie drangen Hunderte Kilometer weit in Polen ein und verursachten geringfügige Schäden an Wohnhäusern in den Dörfern Wyryki und Czosnówka. Menschen kamen keine zu Schaden.
Misstrauen gegenüber Putin
Seither ist die Bevölkerung in grösster Sorge. «Ich glaube, dass Polen das nächste Land sein wird, das angegriffen wird», berichtet eine Frau gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). «Ich glaube nicht, dass Putin aufhören wird: Er wird sich weiter vorwagen.»
Ein anderer Mann berichtet, er habe Kampfjets gesehen, die in niedriger Höhe flogen. «Niemand wusste, was vor sich ging. Natürlich bin ich besorgt.»
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Einige ausländische Drohnen, höchstwahrscheinlich russische, sind auf Wyryki gestürzt, und eine polnische Rakete, die gegen die Fluggeräte abgefeuert wurde, hat das Dach des Hauses von Tomasz und Alizia zerstört. «Es war furchtbar», erinnert sich die Frau. «Noch jetzt stehe ich unter Schock. Was passiert ist, hat uns erschüttert.» Ihr Ehemann stimmt zu: «Wir wurden überrascht. Zum Glück war sie gerade aus dem Schlafzimmer gekommen. Das Dach und das ganze Zimmer sind in die Luft geflogen. Wie fühlen wir uns jetzt? Wir fühlen uns immer noch schlecht, weil wir nichts mehr haben, wir haben kein Zuhause mehr.»
Der Gemeindepräsident von Wyryki, Bernard Błaszczuk, sagt: «Wir haben nicht erwartet, dass so etwas passieren könnte. Es gab viele Szenarien, es war die Rede von Friedensgesprächen. Und wir konzentrierten uns mehr darauf, dass dieser Krieg vielleicht zu Ende gehen würde. Jetzt ist die Lage eine ganz andere.»
«Ostschild» soll etwas Sicherheit bringen
In Polen warnt ein Alarmsystem die Bevölkerung über SMS, Radio und TV. Aber das reicht nicht. «Wir versuchen, die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, wie sie im Notfall angemessen reagieren kann», fügt Błaszczuk hinzu. «Wir müssen den Menschen die Nähe zur Ukraine und die Tatsache bewusst machen, dass dort ein Krieg im Gang ist. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich solche Situationen wiederholen können.»
Polen stärkt seine Ostgrenze mit dem «Ostschild», einem imposanten Verteidigungsprojekt gegen den russischen Druck. Er erstreckt sich über etwa 700 bis 800 Kilometer entlang der polnischen Grenzen zu Russland und Belarus. «Die Grenze wird 24 Stunden am Tag überwacht, mit Kameras alle 100 bis 200 Meter», erläutert Ewelina Lewkowicz vom Grenzschutz gegenüber RSI.
Tomas und Alizia wohnen inzwischen in einer provisorischen Unterkunft, die ihnen die Gemeinde zur Verfügung gestellt hat. Sie blicken skeptisch in die Zukunft. «Die Geschichte lehrt uns», sagt Tomas, «dass jeder Konflikt, der in Europa stattfindet, durch Polen geht und Polen am meisten schadet.»