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«Was wäre, wenn …»: Verschmelzung von Mensch und Maschine
Aus 10 vor 10 vom 23.05.2024.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 19 Sekunden.

Steuerung per Implantat Was bringt ein Computerchip im Gehirn?

Gehirnchips sind heute schon alltäglicher als gedacht: Patienten mit Epilepsie und Parkinson werden «Gehirnschrittmacher» implantiert. Jetzt planen Technologiefirmen einen Chip für Gesunde. Dieser könnte unser Leben angenehmer gestalten, aber auch ein Datenschutzrisiko sein. SRF-Wissenschaftsredaktorin Gwendolin Schönfeld schätzt ein, wie realistisch eine Zukunft mit Gehirnchip für jeden und jede ist.

Gwendolin Schönfeld

Gwendolin Schönfeld

Wissenschaftsredaktorin & Neurobiologin

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Gwendolin Schönfeld ist promovierte Neurobiologin. Ihr Spezialinteresse ist der Einfluss von Wissenschaft und Technik auf die Gesellschaft. Aktuell ist Gwendolin beim Wissensmagazin «Nano» tätig.

Was sind die Vorteile von einem Chip im Gehirn?

Technologie-Enthusiasten träumen davon, mit einem Gehirnchip technische Geräte per Gedankenkraft zu kontrollieren: Autofahren ohne Lenkrad oder Telefonieren ohne Handy am Ohr. Der Gehirnchip der Zukunft könnte auch Geräte unterbewusst steuern. Wenn er erkennt, dass wir frieren, stellt er automatisch die Heizung an. Auch könnten die Chips von zwei Personen miteinander kommunizieren. Gehirn-zu-Gehirn-Telefonie wäre möglich, oder unser Kollege könnte seinen Urlaub direkt in unserem Kopf livestreamen. Doch das ist ferne Zukunft. Wahrscheinlich werden wir Gehirnchips dafür nutzen, um unseren Schlaf zu optimieren oder länger konzentriert arbeiten zu können.

junger Mann mit dunklen Locken in Funktionskleidung hält Fussball und hat auf dem Kopf ein Kabelnetz montiert.
Legende: Es geht auch ohne OP: Nicht-invasive Gehirnchips per Haarreif sind aber ungenauer. Trent Alexander-Arnold vom FC Liverpool nutzte diesen fürs Training (25.05.2022). imago images / Shutterstock / Paul Greenwood

Wie funktioniert ein Gehirnchip?

Ein Gehirnchip erlaubt den Austausch von Informationen zwischen Gehirn und Elektronik, denn beide nutzen elektrische Impulse. Der Computerchip wird während einer Operation direkt in das Gehirn eingesetzt. Auf dem Chip befinden sich Elektroden, die mit den Nervenzellen in Kontakt stehen. So werden die elektronischen Signale des Gehirns gemessen. Der Chip übersetzt sie mithilfe künstlicher Intelligenz in Maschinensprache und sendet die Übersetzung mittels kabelloser Übertragung aus dem Kopf heraus. Der Informationsaustausch ist theoretisch auch umgekehrt möglich: In Zukunft könnte der Chip Informationen von der Aussenwelt an das Gehirn weitergeben.

Gehirnchips mit und ohne OP

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Implantierte Gehirnchips

Medizinisch betrachtet sind implantierte Gehirnchips sehr riskant. Bei der Gehirn-OP muss die Schädeldecke geöffnet werden. Dabei kann es zu Verletzungen des Gehirns kommen und später auch zu Infektionen, Entzündungen und Narbenbildung. Elon Musks Gehirnchip-Firma Neuralink setzte im Januar 2024 einen ersten Gehirnchip in einen querschnittgelähmten Patienten ein. Zu Beginn lief alles gut. Im Mai lösten sich dann einige Drähte am Chip im Gehirn des Patienten. Durch Softwareanpassungen funktioniert der Chip weiterhin und ist sicher. Doch die losen Drähte verbleiben im Gehirn.

Nicht-invasive Gehirnchips

Es gibt auch die Möglichkeit, einen Gehirnchip zu nutzen, ohne sich einer Operation unterziehen zu müssen. Nicht-invasive «Gehirnchips» können wie ein Haarreif auf dem Kopf getragen und auf- und abgesetzt werden. Der Chip im Haarreif misst auch mit Elektroden die elektrische Gehirnaktivität, allerdings durch die Schädeldecke hindurch. Da die Signale erst durch einen Knochen wandern müssen, sind sie dann weniger stark und auch ungenauer. Solche tragbaren Chips nutzen manche Technologie-Enthusiasten schon heute, um ihre Konzentrationslevel während der Arbeit oder beim Computerspielen zu messen.

Kann ein Gehirnchip meine Gedanken lesen?

Ja, aber er ist nicht sehr gut darin. Gehirnchips müssen erst lernen, unsere Gedanken zu interpretieren. In einer Studie massen Forschende die Gehirnaktivität von schlafenden Probanden. Aus den Daten konnten sie lesen, dass der Proband zum Beispiel von einem Apfel träumte, aber was damit passierte, konnten sie nicht erkennen. Der Chip könnte theoretisch auch von aussen genutzt werden, um uns zu manipulieren: Man könnte ungewollte Bewegungen hervorrufen. Das Formen einer Faust erzeugt beispielsweise ein recht einfaches Signal im Gehirn und kann leicht von einem Computerchip imitiert werden. Auch manche Emotionen wie Freude oder Angst können von einem Gehirnchip ausgelöst werden.

Datenschutz für Gehirndaten

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Ein zukünftiges Risiko: Gehirnchips könnten gehackt werden. Dann könnte der Hacker Zugriff zu unseren Gedanken erlangen. Experten schätzen, dass ein Gehirnchip deswegen genauso durch ein Virenprogramm geschützt werden muss wie ein Laptop oder Handy.

Zusätzlich ist man besorgt, dass Technologiefirmen wie Google oder Meta auf unsere Gehirndaten zugreifen können. Diese Firmen treiben die Entwicklung von Gehirnchips voran. Und genau diese Firmen sammeln heute schon unsere Benutzerdaten im Internet und in den sozialen Medien.

Welche profitablen Informationen könnten die Konzerne aus unseren Gedanken ziehen? Wofür würden sie unsere Gehirndaten nutzen? Expertinnen und Experten aus Forschung und Politik arbeiten momentan daran, einen rechtlichen Rahmen für den Schutz von Gehirndaten auszuarbeiten. Bis Anfang 2025 will die Unesco eine Handreichung für Regierungen ausarbeiten, wie Staaten die Gehirndaten ihrer Bürgerinnen und Bürger schützen sollen.

Werden wir in Zukunft alle einen Gehirnchip haben?

Man schätzt, dass viele Menschen – aber nicht alle – in 20 Jahren ihre Gehirnaktivität regelmässig mit einem Chip messen werden. Wahrscheinlich werden wir tragbare Haarreif-Gehirnchips verwenden: Damit tracken wir unser Konzentrationslevel oder unsere Stimmung über den Tag hinweg. In der Nacht kontrollieren und optimieren wir unseren Schlaf. Gehirnchips werden also ein Lifestyle-Produkt, ganz ähnlich zu Smartwatches heute. Implantierte Gehirnchips werden in Zukunft weiterhin nur in der Medizin genutzt. Bei der «Tiefen Gehirn-Stimulation» werden Parkinsonpatienten elektrische Signale in das Gehirn gesendet, die sie unterstützen, besser zu laufen. Bei Patienten mit Epilepsie überwacht ein Gehirnchip die Gehirnaktivität und schützt vor einem bevorstehenden Anfall.

SRF-Rubrik «Was wäre, wenn?»

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In der neuen multimedialen Rubrik «Was wäre, wenn?» will SRF Zukunftsszenarien ausleuchten. Wir greifen jeweils ein gesellschaftliches Thema auf und gehen in einem Gedankenexperiment von einer radikalen oder überraschenden Entwicklung aus. Dieser Ansatz soll helfen, Entwicklungen in der Zukunft besser zu antizipieren. SRF begleitet das jeweilige Thema während rund 24 Stunden online, am Radio und am Fernsehen. SRF lädt seine Zuschauerinnen, Zuhörerinnen und User ein, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen.

Alle Themen:

10vor10, 23.05.2024, 21:50 Uhr ; 

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