Im Lötschental nicht mehr zu wohnen, sei keine Option, so der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay: «Wir wollen diese Bergtäler weiter bewohnen. Das ist unsere Heimat, unsere DNA.» Der Staatsrat sagt damit, was auch die Gemeindeverantwortlichen klarmachen: Wir bleiben hier.
Es sei keine Option, grundsätzlich nicht mehr in Bergtälern zu leben, sagt auch Simon Stadler. Der Urner Mitte-Nationalrat ist Präsident der parlamentarischen Gruppe Bergbevölkerung.
Die Gefahr gehört zum Leben in den Bergen und wir sind daran gewöhnt.
Stadler ist während des Interviews in den Bergen und betont, wie wichtig es den Menschen sei, dort zu leben. «Wir Bergler möchten hier wohnen und müssen alles dafür tun, dass eine Rückkehr für die Menschen in Blatten möglich ist. Und auch dafür, dass die Menschen in anderen Tälern in der Schweiz weiter dort wohnen können.»
Man müsse einzelne Orte sicher streng überwachen. In Blatten habe das ja gut funktioniert, so Stadler weiter. Er schliesst: «Die Gefahr gehört aber zum Leben in den Bergen und wir sind daran gewöhnt.»
Der Berg- und Gletscherabbruch in Blatten im Lötschental
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Bild 1 von 23. Die Lonza findet den Weg durch den Schuttkegel. Bildquelle: SRF/Detlev Munz.
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Bild 2 von 23. In Blatten und Ried werden Schäden in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken erwartet, schätzt der Schweizerische Versicherungsverband SVV . Bildquelle: SRF .
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Bild 3 von 23. Aktuelle Drohnenbilder zeigen: Das Wasser der Lonza bahnt sich einen Weg durch die 2.5 Kilometer langen Schuttmassen und fliesst ab. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 23. Der See in Blatten wird kleiner. Der Regionale Führungsstab geht derzeit nicht davon aus, dass das Wasser über den Schuttkegel schwappen wird. Bildquelle: SRF .
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Bild 5 von 23. Zuvor ist der Pegel der Lonza gestiegen und der neue See drohte überzulaufen. Bildquelle: Reuters/Maxar Technologies.
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Bild 6 von 23. Geröll-, Fels- und Eismassen auf einer Satellitenaufnahme. Bildquelle: Reuters/Maxar Technologies.
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Bild 7 von 23. Das Unbehagen bleibt: Auch am Donnerstag sind vom gegenüberliegenden Hang aus weiterhin Abbrüche zu hören und zu sehen. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 23. Es sei wichtig, der Bevölkerung eine langfristige Perspektive zu bieten, so der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay vor den Medien. «Es ist keine Option, das Tal zu verlassen.». Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 23. Der grosse See hat sich aus dem hinter dem Absturzmaterial aufgestauten Wasser der Lonza gebildet und die Häuser inzwischen überflutet. Bildquelle: SRF/Beat Kälin.
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Bild 10 von 23. Erst der Felssturz, dann die Überflutung: Auch von Häusern in Blatten, die am Mittwoch nach dem Gletscherabbruch noch standen, sind mittlerweile höchstens noch die Dächer sichtbar. Bildquelle: SRF/Beat Kälin.
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Bild 11 von 23. Die Luftaufnahmen zeigen am Donnerstag das ganze Ausmass der Zerstörung: Der allergrösste Teil des Dorfes Blatten liegt begraben unter Geröll und Schlamm oder ist überflutet. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
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Bild 12 von 23. Das Zuhause einer Familie im Lötschental. Bildquelle: SRF/Beat Kälin.
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Bild 13 von 23. Wo vorher ein Dorf war, zeigen sich nun überall Bilder der Verwüstung. Bildquelle: SRF/Beat Kälin.
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Bild 14 von 23. Der Blick vom Berg ins Tal hinab – eine Schneise, die einer klaffenden Wunde gleicht. Bildquelle: SRF/Beat Kälin.
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Bild 15 von 23. Das Lötschental gilt als Wanderparadies und zieht auch im Winter viele Touristinnen und Touristen an. Nun wurde es von einer Katastrophe ereilt, die ein ganzes Dorf ausgelöscht hat. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
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Bild 16 von 23. Das Wasser des Dorfbachs Gisentella und der Lonza staute sich bereits am Mittwochabend östlich des Absturzbereiches in Blatten. Bildquelle: Pomonoa-Medien, Bildschirmfoto Video.
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Bild 17 von 23. Und so kam es zur Katastrophe: Das seit Tagen auf den Birchgletscher stürzende Felsmaterial hatte die Eismassen nach unten geschoben. Am Mittwochnachmittag brach das aufgetürmte Material schliesslich ins Tal ab. Bildquelle: SRF.
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Bild 18 von 23. Nach dem Abbruch stieg eine Staubwolke aus dem Talgrund und wälzte sich bis über die Lauchernalp (Fotostandort) ins Lötschental. Bildquelle: SRF.
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Bild 19 von 23. Die Staubmassen füllten das hintere Lötschental über der Gemeinde Blatten auf. Hier zeigt sich der Blick nach Osten von Wiler in Richtung Langgletscher. Bildquelle: SRF.
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Bild 20 von 23. Nachdem sich der Staub gelichtet hatte, türmte sich meterhoch Absturzmaterial aus Schutt, Fels, Bäumen und Gletschereis westlich des Dorfes Blatten auf. Im Bild der Blick von Wiler in Richtung Südost. Bildquelle: SRF .
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Bild 21 von 23. So präsentierten sich nach dem Abbruch am Mittwoch die Schuttmassen am südwestlichen Dorfrand mit der Faflerstrasse und der Lonza in der Bildmitte. Bildquelle: SRF.
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Bild 22 von 23. Mehrere Millionen Kubikmeter Gestein: Die Menge an Geröll, die ins Tal stürzte, ist kaum vorstellbar. Mit dem Abbruchmaterial könnten 1200 Olympia-Schwimmbecken gefüllt werden. Bildquelle: SRF.
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Bild 23 von 23. Betroffenheit und Mitgefühl: Die Bundesräte Albert Rösti (rechts) und Martin Pfister während der Medienkonferenz am Mittwoch. Die Schweiz und das Wallis stünden hinter den Einwohnerinnen und Einwohnern Blattens. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
Ein Kompliment an die Behörden vor Ort gibt es auch von Josef Eberli, Abteilungsleiter Gefahrenprävention beim Bundesamt für Umwelt. Wenn man über mögliche Risiken spreche, müsse man immer schauen, wie hoch der mögliche Schaden sei. Und da relativiere sich die Gefahr in den Bergen.
«In der Schweizer Schadensstatistik dominieren Schäden bei Wind, Hagel und Hochwasser», führt Eberli aus. «Der überwiegende Teil dieser Schäden entsteht bei uns im Mittelland und nicht im Gebirge.» Fels-, Berg- oder Eisstürze würden nur zwei Prozent des Risikos ausmachen.
Alpine Massenbewegungen im Permafrostbereich würden in den nächsten Jahren sicherlich zunehmen, so Eberli weiter. Der Bund überwache deswegen das ganze Land mithilfe von Satellitenaufnahmen. «Damit werden wir auch in Zukunft über die ganze Schweiz wissen, wo sich bewegende Rutschmassen beschleunigen. Vor allem werden wir aber auch wissen, wo sie sich infolge des Permafrostes auftun.»
Umsiedlungen wohl unvermeidlich
Unter Umständen könne es auch zu Umsiedlungen kommen, so der Experte des Bundes: «In Gebieten, in denen eine erhebliche Bedrohung für Menschen vorhanden ist, kann es die bessere Massnahme sein, dass man umsiedelt.» Dies könne dann der Fall sein, wenn Schutzmassnahmen zu teuer oder schlicht nicht möglich seien. «Deswegen wird es in Zukunft sicher auch zu Umsiedlungen kommen.»
Die Schweiz werde künftig auch noch mehr mit Hochwasser und Rutschungen zu tun haben, erklärt Eberli. Dies betreffe aber weniger das Hochgebirge, sondern eher die Voralpen, das Mittelland und den Jura.
Man lebe mit Naturgefahren in den Bergen, sagt die Bündner FDP-Nationalrätin Anna Giacometti. Sie war die Gemeindepräsidentin von Bondo, als sich 2017 der Bergsturz mit acht Todesopfern ereignete.
Vorsicht Ja, Wegziehen Nein
Auch für Giacometti gehört die Überwachung der Berge zu den unverzichtbaren Sicherheitsmassnahmen. Sie weist aber auch auf einen weiteren Punkt hin: «Für mich ist wichtig, dass man die Bauzonen so plant, dass es keine direkten Gefahren gibt. Man kann kein Haus unter einem Berg bauen, der sich bewegt.»
In Bondo hätten die Murgänge denn auch neuere Häuser getroffen, die in den 1960er-Jahren gebaut worden seien. Letztlich ist auch für Giacometti klar: Sie will dort bleiben, wo sie verwurzelt ist – nämlich in den Bergen.