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(Über-)Leben in den Alpen «Die Gefahr gehört zum Leben in den Bergen»

Der Bergsturz in Blatten zeigt, wie verletzlich das Leben in den Alpentälern ist. Doch wegziehen ist keine Option – und aus Expertensicht auch nicht angezeigt.

Im Lötschental nicht mehr zu wohnen, sei keine Option, so der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay: «Wir wollen diese Bergtäler weiter bewohnen. Das ist unsere Heimat, unsere DNA.» Der Staatsrat sagt damit, was auch die Gemeindeverantwortlichen klarmachen: Wir bleiben hier.

Es sei keine Option, grundsätzlich nicht mehr in Bergtälern zu leben, sagt auch Simon Stadler. Der Urner Mitte-Nationalrat ist Präsident der parlamentarischen Gruppe Bergbevölkerung.

Die Gefahr gehört zum Leben in den Bergen und wir sind daran gewöhnt.
Autor: Simon Stadler Nationalrat (Mitte/UR)

Stadler ist während des Interviews in den Bergen und betont, wie wichtig es den Menschen sei, dort zu leben. «Wir Bergler möchten hier wohnen und müssen alles dafür tun, dass eine Rückkehr für die Menschen in Blatten möglich ist. Und auch dafür, dass die Menschen in anderen Tälern in der Schweiz weiter dort wohnen können.»

Man müsse einzelne Orte sicher streng überwachen. In Blatten habe das ja gut funktioniert, so Stadler weiter. Er schliesst: «Die Gefahr gehört aber zum Leben in den Bergen und wir sind daran gewöhnt.»

Der Berg- und Gletscherabbruch in Blatten im Lötschental

Ein Kompliment an die Behörden vor Ort gibt es auch von Josef Eberli, Abteilungsleiter Gefahrenprävention beim Bundesamt für Umwelt. Wenn man über mögliche Risiken spreche, müsse man immer schauen, wie hoch der mögliche Schaden sei. Und da relativiere sich die Gefahr in den Bergen.

«In der Schweizer Schadensstatistik dominieren Schäden bei Wind, Hagel und Hochwasser», führt Eberli aus. «Der überwiegende Teil dieser Schäden entsteht bei uns im Mittelland und nicht im Gebirge.» Fels-, Berg- oder Eisstürze würden nur zwei Prozent des Risikos ausmachen.

Schlanz 2002
Legende: Im alpinen Raum lebt man seit Jahrhunderten mit der Gefahr – wie hier im bündnerischen Schlans, das 2002 von einer Schlammlawine getroffen wurde. Keystone/Arno Balzarini

Alpine Massenbewegungen im Permafrostbereich würden in den nächsten Jahren sicherlich zunehmen, so Eberli weiter. Der Bund überwache deswegen das ganze Land mithilfe von Satellitenaufnahmen. «Damit werden wir auch in Zukunft über die ganze Schweiz wissen, wo sich bewegende Rutschmassen beschleunigen. Vor allem werden wir aber auch wissen, wo sie sich infolge des Permafrostes auftun.»

Umsiedlungen wohl unvermeidlich

Unter Umständen könne es auch zu Umsiedlungen kommen, so der Experte des Bundes: «In Gebieten, in denen eine erhebliche Bedrohung für Menschen vorhanden ist, kann es die bessere Massnahme sein, dass man umsiedelt.» Dies könne dann der Fall sein, wenn Schutzmassnahmen zu teuer oder schlicht nicht möglich seien. «Deswegen wird es in Zukunft sicher auch zu Umsiedlungen kommen.»

Die Schweiz werde künftig auch noch mehr mit Hochwasser und Rutschungen zu tun haben, erklärt Eberli. Dies betreffe aber weniger das Hochgebirge, sondern eher die Voralpen, das Mittelland und den Jura.

Regenwolken über Blitzingen im Goms.
Legende: Machen Siedlungen im alpinen Raum noch Sinn? Ja, sagen jene, die dort wohnen – und auch Experten. Denn anderswo sei die Gefahr nicht weniger gross. Keystone/Walter Bieri (Symbolbild)

Man lebe mit Naturgefahren in den Bergen, sagt die Bündner FDP-Nationalrätin Anna Giacometti. Sie war die Gemeindepräsidentin von Bondo, als sich 2017 der Bergsturz mit acht Todesopfern ereignete.

Vorsicht Ja, Wegziehen Nein

Auch für Giacometti gehört die Überwachung der Berge zu den unverzichtbaren Sicherheitsmassnahmen. Sie weist aber auch auf einen weiteren Punkt hin: «Für mich ist wichtig, dass man die Bauzonen so plant, dass es keine direkten Gefahren gibt. Man kann kein Haus unter einem Berg bauen, der sich bewegt.»

In Bondo hätten die Murgänge denn auch neuere Häuser getroffen, die in den 1960er-Jahren gebaut worden seien. Letztlich ist auch für Giacometti klar: Sie will dort bleiben, wo sie verwurzelt ist – nämlich in den Bergen.

Glückskette sammelt für Blatten

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Die Glückskette hat eine Sammelaktion gestartet für die Betroffenen im Lötschental. Spenden kann man unter anderem via QR-Code sowie auf der Website der Glückskette.

Echo der Zeit, 30.05.2025, 18 Uhr

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