«Im Mittelalter brauchten die Städte Versorgung von aussen und Zuwanderung», sagt der emeritierte Geschichtsprofessor Claudius Sieber-Lehmann von der Universität Basel. Deshalb habe die Stadt Basel anno 1522 Interesse gehabt am damaligen Bauerndorf Riehen und seinen geschätzten 200 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Kuhhandel mit dem Bischof
Basel wollte Riehen also kaufen. Dafür musste man beim Bischof nachfragen, denn Riehen habe bis zur Reformation dem Bischof gehört, sagt Sieber-Lehmann und fügt an: «Wie so vieles in Basel.»
Basel hatte zuvor zwar ein Auge auf den Blattenpass bei Pfeffingen geworfen. Die damals wichtigste Verbindung in den Jura ging allerdings an den Bischof, nicht an Basel. Im Gegenzug überliess der Geistliche der Stadt das Dorf Riehen.
Mit dem Kauf Riehens erwarb sich die Stadt allerdings erst die rechtliche Hoheit über Riehen. Das Land hingegen gehörte immer noch den Klöstern Wettingen und St. Blasien im Schwarzwald. Basel musste mit den Klöstern also Abkommen treffen, um Zugriff auf die Bauern und deren Land zu bekommen.
Untertanen der Stadt
Ungewöhnlich war das nicht. «Im Mittelalter gab es eine bunte Mischung aus Herrschaftsrechten auf jedem Stück Land», erklärt Sieber-Lehmann. Die Rechte hätten sich erst im Verlaufe der kommenden Jahrzehnte und Jahrhunderte vereinheitlicht. Sogar im Glauben habe es diese Mischung der Herrschaftsrechte gegeben: «Die Seelen der Bauern in Riehen gehörten dem Bischof von Konstanz, nicht dem von Basel.»
Die Seelen der Bauern in Riehen gehörten dem Bischof von Konstanz, nicht dem von Basel.
Riehen sei wegen der verschiedenen Machtverhältnisse erst viel später wirklich Teil des Territoriums von Basel geworden. Basel zugehörig gefühlt haben sich die Menschen in Riehen allerdings schon kurz nach dem Kauf: «Die Leute in Riehen haben sich schon anno 1523 als Untertanen von Basel bezeichnet.» Untrügliches Zeichen dafür, dass sie die neuen Herren sofort anerkannten.
Das neue Zusammensein feierte man in Riehen. Wie Aufzeichnungen im Basler Staatsarchiv zeigen, veranstaltete Riehen ein grosses Fest. Die Abrechnungen dafür könne man heute noch im Archiv ansehen, sagt Claudius Sieber-Lehmann. Die Frauen in Riehen haben Küchlein gebacken «und das war so wichtig, dass man es aufzeichnete».
Für Basel waren die Verhandlungen mit den Grundeigentümern nach dem Kauf von Riehen nicht nur einfach. Mit dem Kloster Wettingen sei alles gut gelaufen, die Verhandlungen mit St. Blasien bezeichnet der Geschichtsprofessor allerdings als «zäh»: Das Kloster St. Blasien haben seine Rechte lange behalten, weil die Mönche angewiesen gewesen waren auf die Lebensmittel, die die Riehener Bauern auf ihrem fruchtbaren Boden erzeugten. Das Kloster St. Blasien liegt mitten im Schwarzwald, wo die Böden karg waren.
Heute ist Riehen ein wohlhabender Vorort von Basel. Das sei ebenfalls auf die Zeit nach dem Kauf zurückzuführen, so Sieber-Lehmann. Gutbetuchte Basler Familien zog es im Sommer aus der Stadt aufs Land, da man die Stadt als ungesund empfand. Die Villen zwischen Basel und Riehen zeugen noch heute davon. Und schon im Mittelalter mussten die Herren aus Basel keine Abgaben entrichten. Heute sind es die tiefen Steuern, die nach wie vor locken.
Zur politischen Gemeinde mit eigenem Parlament und Gemeinderat wurde Riehen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert. Bei der Kantonstrennung von Basel-Stadt und Baselland 1832/33 entschieden sich die Riehenerinnen und Riehener für den Verbleib bei der Stadt Basel.