Während des Skiweltcups im Januar 2019 erreicht Adelboden die traurige Nachricht aus dem Norden: Sechs Junge Männer – fünf von ihnen aus Adelboden – sind bei einem Autounfall in Schweden ums Leben gekommen. Die Nachricht schockiert, löst tiefe Trauer aus und eine Flut an Medienanfragen. Gemeindeschreiberin Jolanda Lauber übernimmt die Kommunikation, um die Familien zu schützen. Im Gespräch blickt sie zurück.
SRF News: Sie waren im Einsatz am Skiweltcup, als die Nachricht aus Schweden kam. Welche Erinnerungen haben Sie?
Jolanda Lauber: Es sind zwei Welten aufeinander geprallt. Der riesengrosse Anlass, der für unser Dorf ein freudiges Ereignis ist, und dann die Nachricht, dass fünf Männer aus Adelboden ums Leben gekommen sind. Das war ein Schock. Jeder im Dorf hatte irgend einen Bezugspunkt zu den Männern. Das Dorf ist ein Stück zusammengerückt, aber die Unfassbarkeit, dass so etwas passieren kann, war gross.
Diese Unfassbarkeit hat die ganze Schweiz bewegt, entsprechend gross war das Medieninteresse. Sie haben die Kommunikation übernommen. Wie ist es Ihnen ergangen in dieser Rolle?
Wir wussten nicht, was auf uns zukommen wird, wir wollten den Familien aber etwas abnehmen. Es war dann krass, was abging. Medienleute warteten vor der Türe, ich war den ganzen Tag am Telefon.
In einer Mitteilung haben Sie geschrieben, dass Sie überrascht gewesen seien über die Aggressivität gewisser Medien, die zu weit gingen.
Das hat mich sehr beschäftigt. Ich dachte, es gebe eine Gürtellinie. Das war nicht der Fall. Es hat uns abgelöscht, dass gewisse Medien mit Fotos auf Kinder im Dorf zugegangen sind, oder die Grossmutter von zwei Betroffenen im Altersheim überrumpelt haben.
Ich dachte, es gebe eine Gürtellinie. Das war nicht der Fall.
Das hat uns belastet. Wir haben dann versucht, aktiv zu kommunizieren und so konnten wir das etwas in den Griff bekommen.
Es gab eine Trauerfeier mit 2400 Personen. Zudem wurde ein Trauerraum eingerichtet, ein Kondolenzbuch hingelegt. Hat das die Gemeinde zusammengeschweisst?
Das Interesse der ganzen Schweiz war riesig. Wir haben Anrufe und Mails erhalten und uns gesagt: wir müssen etwas machen. Die Gelegenheiten zum Trauern wurden geschätzt, es gab aber auch Mitarbeitende der Gemeindeverwaltung, für die es belastend war, wenn ständig Leute kamen und auch weinen mussten. Trotzdem hat es uns zusammengeschweisst.
Sie selber hatten viel mit der Koordination zu tun, gaben den Medien Auskunft. Sie kannten die jungen Männer aber auch. Haben Sie Zeit gefunden, selber zu trauern?
Das ist schwierig zu beantworten. Ich war in diesem Rad drin, es beschäftigte mich auch, wenn ich am Abend das Büro verliess. Bei mir kam die Zeit erst später, in der ich diesem Unglück mehr Raum geben konnte. Ich kann nicht sagen, dass dies abgeschlossen ist. Ich weiss nicht, wie es sein wird, wenn sich das Unglück jährt.
Am 12. Januar ist es soweit – gleichzeitig findet auch wieder der Skiweltcup statt, an dem Sie wieder als Helferin im Einsatz sein werden. Wie fest wird das Ereignis dabei im Hinterkopf bleiben?
Wohl schon ziemlich. Ich habe Respekt davor, dass dies immer wieder in Verbindung mit dem Weltcup gebracht wird. Ändern können wir es nicht. Wenn sich so ein Erlebnis ein erstes Mal jährt, kommt viel wieder hoch.
Es wird für mich wohl stark im Vordergrund stehen, aber es ist auch wichtig, dass wir uns wieder mit positiven Dingen befassen. Vielleicht fährt ja wieder einmal ein Schweizer aufs Podest, dann gibt es einen neuen Impuls, der das tragische Ereignis etwas in den Hintergrund stellen kann.
Das Gespräch führte Marielle Gygax.