Gewaltausbrüche und Polizeieinsätze rund um Fussballspiele sind keine Seltenheit mehr. So auch am Mittwochabend vor dem Match Young Boys gegen Roter Stern Belgrad in Bern. Dabei griff ein Polizist gar zur Waffe und feuerte drei Warnschüsse ab. Markus Mohler, ehemaliger Polizeikomandant Basel-Stadt, erklärt seine Sichtweise.
SRF News: Der Mediensprecher der Kapo Bern sagte zu SRF, dass der Polizist dazu gezwungen war, Warnschüsse abzugeben. Wie sehen Sie das?
Markus Mohler: Ich kann das nicht beurteilen, weil ich nicht genau weiss, was passiert ist.
Aber denken Sie, dass der Einsatz von Warnschüssen vor dem Fussballspiel gerechtfertigt war?
Mit dem Fussballspiel hat dies ja eigentlich gar nichts zu tun. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Situation sich sehr zugespitzt hat und der Polizist Warnschüsse abgab, um eine Notwehrhilfesituation zu vermeiden. Gemäss Medienberichten hat es Verletzte gegeben. Offenbar konnten die Leute mit Warnrufen nicht erreicht, zur Vernunft gebracht werden.
Ich nehme an, dass es vor Ort sehr laut zuging und die Gruppe so nicht erreicht werden konnte. Die sonst oft angewandte Deeskalierungstaktik taugt bei diesen Kohorten offenbar nicht. Ein Warnschuss ist in einer solchen Situation durchaus gerechtfertigt. Es besteht im Polizeigesetz auch eine rechtliche Grundlage dafür.
Was passiert genau, wenn Schüsse in die Luft abgegeben werden?
Solche Projektile aus Pistolen fliegen etwa 400 bis 500 Meter nach oben, abhängig vom Winkel. Dann fallen sie runter. Der «Schuss» fällt dann ohne Impulsenergie wie ein kleines Hagelkorn auf die Erde zurück.
Hätte es Alternativen zur Abgabe von Warnschüssen gegeben?
Welche Massnahmen es braucht, kommt immer auf die konkrete Situation an. Aber ich denke, dass hier nur wenige so heftig gewalttätig waren und deshalb zum Beispiel der Einsatz von Gummischrot nicht sinnvoll gewesen wäre, auch weil an den Ausschreitungen nicht Beteiligte getroffen worden wären. Andere Massnahmen wie Hunde setzt man bei solchen Massen nicht ein. Mehr ist dazu aus der Ferne nicht zu sagen.
Viel schlimmer finde ich das gesellschaftliche Problem dahinter.
Die Polizei hat sich Ihren Erfahrungen nach richtig verhalten?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Warnschüsse in dieser Situation gerechtfertigt waren – und sie haben ja offenbar auch etwas bewirkt. Viel schlimmer finde ich das gesellschaftliche Problem dahinter. Offenbar fühlt sich niemand mehr zuständig, sich um diese überwiegend jungen Leute zu kümmern, niemand will Verantwortung übernehmen. Deshalb muss die Polizei die Grenzen setzen. Leidtragende von solchen Aktionen sind die Opfer, alle Anständigen, die Steuerzahler sowie die Polizei – und der Rechtsstaat.
Wie kann die Gesellschaft diese Probleme lösen?
Man muss die rechtlich zulässigen Massnahmen strikter umsetzen und viel konsequenter sein. Die nötigen gesetzlichen Bestimmungen sind alle vorhanden. Leute, die Landfriedensbruch, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen begehen, muss man härter anpacken. Die Grenzen bzw. das Überschreiten derselben muss spürbar sein.
Bei unter 18-Jährigen sollten für die finanziellen Forderungen aus Schäden die Erziehungsverpflichteten konsequent zur Kasse gebeten werden. Auch diese gesetzlichen Grundlagen dafür sind gegeben. Ich weiss nicht, warum diese nicht überall auch angewendet werden. Heute besteht mancherorts eine wohl übertriebene, nicht gerechtfertigte «Angst» vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip. Das besteht aber nicht nur aus dem Übermass-, sondern auch aus dem Untermassverbot.
Das Gespräch führte Viviane Bischoff.