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Weltweite Tierseuche Vogelgrippe trifft Säugetiere – eine Gefahr für die Menschen?

Ein Vogelgrippe-Ausbruch auf einer spanischen Nerzfarm alarmiert die Wissenschaft. Eine Expertin mahnt zur Wachsamkeit.

Die Vogelgrippe trifft weltweit immer mehr Wildvogelarten. Das Virus tritt neu auch im Sommer und nicht mehr nur im Winter auf und hat bereits verschiedene Säugetierarten angesteckt, teils mit tödlichen Folgen für Robben, Delfine, Füchse oder Katzen. Bisher wurde das Virus über den direkten Kontakt mit einem infizierten Vogel weitergegeben.

Nun sei es auf einer Farm in Spanien höchstwahrscheinlich von einem Nerz zum anderen gesprungen, sagt Ursula Höfle vom Nationalen Forschungsinstitut für Wildtiere der Universität Kastilien-La Mancha.

Ursula Höfle

Veterinärmedizinerin

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Die Veterinärmedizinerin Ursula Höfle forscht am Nationalen Forschungsinstitut für Wildtiere der spanischen Universität Kastilien-La Mancha. Sie untersucht zurzeit den Vogelgrippe-Befall in einer Nerzfarm in Spanien.

SRF News: Wie ist das Virus in die spanische Nerzfarm gelangt?

Ursula Höfle: Es ist noch nicht hundertprozentig bewiesen, doch wahrscheinlich wurde es von Lachmöwen auf die Farm getragen, welche zur Belüftung seitlich offen ist. Die Nerze werden auf Käfigen gefüttert, gut erreichbar für Vögel. Ganz genau wissen wir es noch nicht, weil einzelne Sequenzen vom Nerzvirus und den Möwenviren noch nicht verfügbar sind, um zu vergleichen.

Diese eine Mutation bedeutet nicht, dass eine Übertragung auf jedes Säugetier möglich ist. Aber es zeigt, dass das Virus solche Mutationen erwerben kann.

Bei den Nerzen wurde eine Mutation des Erregers nachgewiesen, welche die Vermehrung des Virus in Säugetieren begünstigt. Wie besorgniserregend ist das?

Bei den Nerzen ist das sehr besorgniserregend. Die Mutation ist sehr spezifisch und hat möglicherweise tatsächlich die Ausbreitung von Nerz zu Nerz gewährleistet. Dieser Ausbruch ist aber gestoppt. Und diese eine Mutation bedeutet nicht, dass eine Übertragung auf jedes Säugetier möglich ist. Aber es zeigt, dass das Virus solche Mutationen erwerben kann.

Es ist zwar keine unmittelbare Gefahr für Menschen, aber Entwarnung kann man auf keinen Fall geben.

Kambodscha: Befürchtungen nach Todesfall nicht bestätigt

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Nach dem Tod eines elfjährigen Mädchens an Vogelgrippe in Kambodscha haben sich Befürchtungen einer grösseren Übertragung von Mensch zu Mensch zunächst nicht bestätigt. Zwar wurde auch der Vater des Mädchens positiv auf das Vogelgrippe-Virus H5N1 getestet, nicht aber elf weitere Kontakte des Mädchens, die teils Grippesymptome hatten, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf mit.

Der Vater, der keine Krankheitsanzeichen zeigte, befinde sich in einem Krankenhaus in Isolation. Es sind die ersten Vogelgrippe-Infektionen bei Menschen in Kambodscha seit 2014.

Die WHO schätzt die Gefährdung für die Bevölkerung bisher als gering ein. Wie berechtigt ist die Angst von einer Übertragung von Mensch zu Mensch?

Man steht zwar nicht bereits einen Schritt von einer neuen Pandemie. Das H5N1-Influenzavirus ist aber schon lange ein guter Kandidat, weil es offensichtlich sehr flexibel ist. Mit der aktuell sehr hohen Zahl infizierter Tiere gibt es ständig neue Infektionen und Möglichkeiten. Die ständig neuen Infektionen bei neuen Arten zeigen deutlich, dass das Virus zurzeit sehr schnell wechselt. Es ist zwar keine unmittelbare Gefahr für Menschen, aber Entwarnung kann man auf keinen Fall geben.

Wir stehen zurzeit vor einer Panzootie, also einer Tierseuche, die sich weltweit ausbreitet.

Wie gefährlich ist das Virus für die Tierwelt?

Wir stehen zurzeit vor einer Panzootie, also einer Tierseuche, die sich weltweit ausbreitet. Und dies speziell in den Kolonien brütender Vögel. Im Vergleich dazu sind die Fälle von sterbenden Säugetieren noch sporadisch. Die Nerzfarm ist ein spezieller Fall, und der Fall von 600 toten Seelöwen hört sich zwar schlimm an.

Toter Vogel.
Legende: Symbolbild: Tote Eiderente am Strand der Nordsee, Februar 2022 Keystone / Axel Heimken

Doch gleichzeitig verenden an einer Ecke 8000 Kraniche und an einer anderen 2000 Pelikane, Sguas oder Brandseeschwalben. Das sind zum Teil sehr bedrohte Arten. Viele Expertinnen und Experten erwarten grosse Auswirkungen. Es ist nicht auszuschliessen, dass einzelne Arten verschwinden. Es ist praktisch unmöglich, das Virus bei Wildtieren flächendeckend einzudämmen.

Das Gespräch führte Matthias Kündig.

Echo der Zeit, 20.02.2023, 18:00 Uhr ; 

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