Der grösste Dachverband der Wirtschaft verliert Ende Jahr drei Mitglieder. Avenergy, die ehemalige Erdölvereinigung, Auto-Schweiz, der Verband der Autoimporteure und der Detailhandelsverband Swiss Retail haben Economiesuisse schon im Frühsommer wissen lassen, dass sie 2021 austreten wollen.
Grundsätzlich sind Ein- und Austritte aus Verbänden nichts Ungewöhnliches. Und zahlenmässig fallen die drei Austritte bei Economiesuisse auch nicht ins Gewicht. Economiesuisse zählt 20 Handelskammern und 100 Verbände als Mitglieder, welche zwei Millionen Menschen Arbeit bieten.
Economiesuisse zählt 20 Handelskammern und 100 Verbände als Mitglieder, welche die Interessen von zwei Millionen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen vertreten
Interessenkonflikte
Aber die Austritte der drei Branchenverbände sind eben auch ein Signal. Es zeigt, dass es für Economiesuisse nicht einfacher wird, die teils weit auseinanderliegenden Interessen der Mitglieder unter einen Hut zu bringen.
Da ist etwa Auto-Schweiz, der Verband von rund 30 Importeuren von Autos und Lastwagen. Man habe die Mitgliedschaft bei Economiesuisse schon länger zur Debatte gestellt – und sich mit Economiesuisse darüber auch ausgetauscht, sagt Direktor Andreas Burgener: «Wir fühlen uns nicht mehr ganz so getragen wie vielleicht die Finanz- und Pharmaindustrie, welche Economiesuisse sicher hervorragend vertritt.»
Wir fühlen uns nicht mehr ganz so getragen wie vielleicht die Finanz- und Pharmaindustrie.
Wunder Punkt: Klimapolitik
Den unmittelbaren Auslöser für den Austritt sei aber die Klimapolitik, gibt Burgener zu. Economiesuisse befürwortet eine C02-Abgabe auf Benzin und Diesel. Das könnten die Autoimporteure nicht mittragen, sagt Burgener.
Bei der Erdölvereinigung Avenergy sei nicht die Diskussion um das CO2-Gesetz der Grund für den Austritt, sondern man sei der Ansicht, dass der Gewerbeverband die Interessen der Mineralölwirtschaft besser vertreten könne als Economiesuisse, schreibt Avenergy auf Anfrage.
Mittel anderswo einsetzen
Auch Burgener von Auto-Schweiz lobt den Gewerbeverband: «Da fühlen wir uns im Gewerbe besser aufgehoben als bei Economiesuisse.» Allerdings spiele auch Geld eine Rolle für den Austritt: Die Corona-Pandemie mit dem Lockdown setze der Autobranche zu.
Bis Ende Jahre rechnet Auto-Schweiz mit 20 Prozent weniger Immatrikulationen von Neuwagen. Das treffe die Importeure finanziell massiv, sagt Burgener: «Schlussendlich müssen wir schauen, wo wir welches Geld einsetzen. Die wirtschaftliche Lage ist jetzt etwas schwieriger, und wir haben da zu kämpfen. Economiesuisse ist in unserem Budget ein sehr relevanter Posten.» Wie relevant, will Burgener nicht sagen.
Die wirtschaftliche Lage ist jetzt etwas schwieriger, und wir haben da zu kämpfen.
Economiesuisse bleibt zuversichtlich
Swiss Retail, die Lidl, Aldi, Ikea und andere kleine Detailhändler vertritt – nicht aber Migros und Coop – spricht ebenfalls von Kosten sparen: Man wolle die knappen Mittel in Zukunft direkter für die eigenen Interessen einsetzen.
Bei Economiesuisse gibt man sich gelassen. Spannungen bei Economiesuisse gibt es immer mal wieder. Gerade rund um Abstimmungen geraten einzelne Economiesuisse-Mitglieder gerne aneinander. Und ebenfalls regelmässig drohen Verbände mit dem Austritt – auch wenn sie dann doch bleiben.
Für Economiesuisse wird es erst dann brenzlig, wenn weitere Verbände Nutzen und Kosten der Mitgliedschaft bei Economiesuisse zu hinterfragen beginnen und es zu einem grösseren Exodus kommen könnte. Anzeichen dafür gibt es momentan keine.