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Abwerbung von Kundenberatern «Ich stand als CEO einer Bank ohne Mitarbeiter da»

Die Affäre um die Beschattung des ehemaligen Credit Suisse Managers Iqbal Khan wirft ein Schlaglicht auf die Abwerbungspraxis im Bankwesen. Reto Erdin, ehemaliger Leiter Privatkunden der Basler Kantonalbank, bekam die Folgen von Abwerbungen zu spüren: 2009 kaufte die Basler Kantonalbank die Privatbank AAM. Kurz darauf kündigten fast alle AAM-Kundenberater. Die Bank Vontobel hatte sie abgeworben.

Reto Erdin

Ehemaliger Leiter Privatkunden Basler Kantonalbank

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Reto Erdin leitete von 2006 bis 2011 den Bereich Privatkunden und Private Banking bei der Basler Kantonalbank und war Mitglied der Geschäftsleitung. Heute ist er Notar.

SRF News: Wie haben Sie davon erfahren?

Reto Erdin: Ich war in den Herbstferien am Lago Maggiore als mich der Personalchef angerufen hat. Er hat mir gesagt, dass alle Mitarbeiter in Bern gekündigt hätten. Ich bin natürlich erschrocken. Bevor ich mir ein Bild machen oder das einordnen konnte, kam der zweite Anruf, dass auch an den anderen beiden Niederlassungen praktisch alle Mitarbeiter gekündigt hatten. Ich stand als CEO einer Bank ohne Mitarbeiter da.

Wie war das für Sie als Geschäftsführer?

Das war ein Schock. Diese Abwerbung war nicht lange nach 9/11. Ich kam mir vor wie Georg Bush, als er die Mitteilung bekam, dass ein Flugzeug in den einen Turm eingeschlagen war – und später in den anderen. Das war ein schrecklicher Moment.

Wie haben Sie die abgeworbenen Kundenberater ersetzt?

Die fehlenden Berater der AAM-Bank haben wir durch eigene Leute der Kantonalbank ersetzt. Für sie war das ein Knochenjob: Zusätzlich zu ihrem Tagesgeschäft mussten sie während mehreren Monaten neue Kunden betreuen. Das war eine aufwändige Sache, weil sie die Kunden nicht kannten und nicht auf die Loyalität ihrer Kollegen zählen konnten.

Verschwanden mit den Beratern auch die von ihnen verwalteten Gelder?

Die Betreuer hatten zum Teil jahrzehntelange Beziehungen zu ihren Kunden. Es ist klar, dass mit einem Kundenberater auch der eine oder andere Kunde mitgehen wird.

Hatte das rechtliche Folgen für die Bank Vontobel?

Nein, wir haben uns jedoch überlegt, rechtliche Schritte einzuleiten. Denn das war nicht die Art und Weise, wie man unter Gentlemen umgeht. Die Aktion von Vontobel haben wir als sehr, sehr starken Affront empfunden. Recht haben und Recht bekommen sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Basler Kantonalbank hätte ein Problem mit der Beweisführung gehabt. Zudem hätte sie sich jahrelange Prozesse mit ungewissem Ausgang eingehandelt. Darauf wollten wir verzichten.

Ist es üblich, dass sich Privatbanken Kunden so abluchsen?

Ja, leider ist es gang und gäbe – auch heute noch. Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist klein. Erhält ein Mitarbeiter ein besseres Angebot, geht er und versucht, seine Kunden mitzunehmen.

Gibt es kein Gentleman-Agreement, das dies verhindert?

Nein, der letzte Gentleman bei der Bank Vontobel ist mit Hans Vontobel gestorben. Danach kamen Manager.

Experten sagen, dass Angestellte, die sich wohl fühlen, nicht zur Konkurrenz abspringen.

Das Betriebsklima ist das A und O. Ist das gut, hat man bessere Chancen, wenn es darum geht, dass Mitarbeiter abgeworben werden. Wir hatten diese Chance gar nicht. Die Abwerbung fand so kurz nach der Übernahme statt, dass wir die Mitarbeiter der AAM-Privatbank gar nicht kennenlernen konnten. Sie wussten gar nicht, was bei der Kantonalbank auf sie zugekommen wäre.

Letztlich war es eine Geldfrage, oder?

Das Geld stand sicher im Vordergrund. Einzelne Mitarbeiter wären durchaus dazu bereit gewesen, bei einem besseren Angebot bei uns zu bleiben. Ich habe mich aber immer dagegen entschieden. Jemanden mit finanziellen Mitteln zu ködern, ist kein langfristiger Ansatz für motivierte Mitarbeiter.

Das Gespräch führten Stefanie Knoll und Silja Gerhard.

Sendebezug: 10vor10, 24.09.2019

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