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Adipositas Abnehmen mit Medikamenten – ein Milliardengeschäft

Neue Spritzen gegen Fettleibigkeit sorgen weltweit für Schlagzeilen. Doch das ist erst der Anfang: Eine Flut von Medikamenten fürs Abnehmen ist in Entwicklung.

Abnehmen ist für die Pharmaindustrie ein 100-Milliarden-Geschäft. Grund: Menschen werden immer dicker. Die Zahlen sind alarmierend. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich der Anteil der Menschen mit sehr starkem Übergewicht (Adipositas) seit den 1980er-Jahren verdreifacht auf rund 13 Prozent. Bis ins Jahr 2035 könnten es mehr als die Hälfte sein. Aus Sicht der Pharmaindustrie sind das viele potenzielle Kundinnen und Kunden.

In der Schweiz werden stark übergewichtige (adipöse) Personen vorrangig mit dem Produkt «Saxenda» des dänischen Herstellers Novo Nordisk behandelt. Die Spritze wird täglich injiziert und steigert das Sättigungsgefühl.

Ein Fussballer mit einem grossen Bauch.
Legende: Sport und gesunde Ernährung helfen letztlich besser, das Gewicht zu verringern und zu halten, als Medikamente. REUTERS/Daniel Becerril/File Photo

Von den neueren, angeblich effektiveren Spritzen ist derzeit «Ozempic» auf dem Markt. Ein Diabetesmedikament, das Ärztinnen und Ärzte für stark übergewichtige Personen verschreiben dürfen. Der Hersteller Novo Nordisk erwirtschaftet damit allein im Jahr 2022 rund acht Milliarden Franken Umsatz.

Effektiv bedeutet in diesem Zusammenhang: Die Patientinnen und Patienten nehmen stärker sowie schneller ab. In Studien verloren Patienten in 68 Wochen durchschnittlich 15 Prozent Gewicht. Bei einer Vergleichsgruppe, die ein Scheinmedikament bekam, lag der Gewichtsverlust bei lediglich zwei Prozent.

Wirkung zufällig entdeckt

Als effektiver gilt auch ein weiteres Produkt: «Mounjaro» des amerikanischen Herstellers Eli Lilly. Als Therapie gegen die Zuckerkrankheit Diabetes ist das Medikament bereits zugelassen. Ein Antrag für die Behandlung von Fettleibigkeit ist in der Schweiz noch offen. 

Den Abnehmeffekt der Diabetesprodukte haben die Forscher eher zufällig entdeckt. Sie haben darum eine Weiterentwicklung mit einer höheren Dosierung des gleichen Wirkstoffs angestossen und tüfteln seither an speziellen Adipositas-Therapien. Bereits auf dem Markt ist «Wegovy», ebenfalls von Novo Nordisk. Das Medikament ist in der Schweiz zugelassen, aber noch nicht verfügbar, da die globale Nachfrage die Produktionskapazitäten bei Weitem übersteigt. Demnächst will Novo Nordisk die Präparate in Pillenform auf den Markt bringen.

Kommt das Gewicht zurück?

Die Entdeckung des Abnehmeffekts hat Novo Nordisk an der Börse in die Gewinnzone katapultiert. Das Kursplus der Aktie der letzten fünf Jahre beträgt mehr als 300 Prozent. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Weitere Entwicklungen könnten bald aus den Labors der amerikanischen Eli Lilly und Pfizer kommen. 

Dass Forschung aber auch ein delikates Unterfangen ist, zeigt sich aktuell bei Pfizer. Aus einem der vielversprechenden Projekte hat sich Pfizer zurückgezogen. Grund: Bei einigen Patienten seien während der klinischen Studie hohe Werte von Leberenzymen festgestellt worden.

Die neuen Medikamente, die auf dem Markt sind – also «Ozempic», «Wegovy» und «Mounjaro» – haben allerdings einen Nachteil: Ihre Langzeitwirkung ist nicht erforscht. So ist unklar, ob Patientinnen und Patienten ihr Gewicht halten können, wenn sie die Spritzen absetzen. Allenfalls müssen sie damit rechnen, das Medikament ein Leben lang nehmen zu müssen.

Ärztinnen betonen, dass langfristige Gewichtsabnahme unmöglich ist ohne eine entsprechende Umstellung der Ernährung und ausreichend Bewegung. Wundermittel sind die neuen Medikamente also nicht. Ein grosses Geschäft für die Pharmariesen hingegen schon.

Rendez-vous, 28.06.2023, 12:30 Uhr

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