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Affäre um Ex-Raiffeisen-Chef So verriet Vincenz’ Ex-Frau ihrem Mann Geschäftsgeheimnisse

Mit WhatsApp-Nachrichten kann die Staatsanwaltschaft beweisen, dass die frühere Raiffeisen-Rechtschefin Nadja Ceregato ihrem damaligen Ehemann Pierin Vincenz geheime Dokumente weitergab. Nun wurde sie dafür per Strafbefehl verurteilt.

Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz ist im Januar 2018 gerade in den Ferien in Afrika, als er per WhatsApp unaufgefordert 29 Fotos erhält. Absender ist seine Ehefrau Nadja Ceregato, die ehemalige Raiffeisen-Rechtschefin. Es sind keine normalen Chats eines Ehepaars. Auf den Fotos sind geheime Unterlagen von Raiffeisen zu sehen, die nur einem kleinen Kreis hätten zugänglich sein sollen. Das zeigt ein Strafbefehl der Zürcher Staatsanwaltschaft, den «SRF Investigativ» einsehen konnte.

Vincenz war damals bereits seit rund zwei Jahren nicht mehr Raiffeisen-CEO. Doch besass er Anteile der Raiffeisen-Tochter Investnet und war ihr Verwaltungsratspräsident. Nach monatelangen Negativschlagzeilen waren Verflechtungen mit ihm für die Bank ein PR-Risiko geworden. Die Raiffeisen wollte die Verflechtung auflösen und überlegte, ob man Vincenz Millionen für eine Einigung auszahlen oder einen Gerichtsprozess riskieren sollte.

Warum hatte Ceregato Zugriff auf die E-Mails?

Die Anwaltskanzlei Prager Dreifuss arbeitete im Auftrag von Raiffeisen Strategien aus. Sie sandte das laut Strafbefehl «geheime Strategiepapier» mit dem Namen «Fragenkatalog Janus» an den Finanzchef von Raiffeisen. Die Bank wollte das Dokument geheim halten, da Vincenz sonst seine Verhandlungsstrategie danach ausrichten könnte. Die Befürchtung: So würde Vincenz einen «erheblich vorteilhafteren Ausstieg» aus Investnet erreichen können – zulasten von Raiffeisen. Doch in Kopie ging das E-Mail an den Account des Generalsekretärs, wo es Ceregato in die Hände bekam.

Wie Ceregato an die geheimen Unterlagen kam, wirft Fragen auf. Sie hatte ihren Posten als Rechts- und Compliance-Leiterin der Raiffeisen wegen dem Streit um ihren Ehemann eigentlich bereits zwei Monate zuvor geräumt, blieb aber auf dem Papier mit Lohn von 320'000 Franken bei der Bank angestellt und absolvierte extern Weiterbildungen.

Weiterhin hatte sie Zugang zum E-Mail-Postfach des damaligen Raiffeisen-Generalsekretärs. Laut Strafbefehl «im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses». Auf diesem E-Mail-Konto lagen die Dokumente. Warum Ceregato überhaupt Zugriff auf das Konto hatte, ist unklar. Raiffeisen will dazu nichts sagen. Ceregatos Anwalt reagierte nicht auf eine Anfrage. Auch Vincenz’ Anwalt wollte keine Stellung zum Strafbefehl nehmen.

«Oder hast du keine Lust?»

Eine Woche nach dem ersten Dokument landete auf dem Mailkonto eine neue Version des Papiers. Ceregato schrieb per WhatsApp an Vincenz: «soll ich dir noch die neuste Version von Prager schicken zu Investnet? Oder hast du keine Lust?» Vincenz antwortete: «ja wenn du die Unterlagen von PD hast gerne auf das andere i phone.» Und schob nach: «ausser du hast das Gefühl sei nicht viel neues». Ceregato schickte ihm Fotos des Dokuments.

Ceregato wurde nun per Strafbefehl rechtskräftig wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses verurteilt. Sie erhält eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 90 Franken, total 16'200 Franken, und eine Busse von 2700 Franken. Bezahlen muss sie inklusive Verfahrenskosten rund 37'000 Franken. 

Raiffeisen verkaufte ihren Investnet-Anteil wenige Monate nach dem Geheimnisverrat an die Minderheitsaktionäre – unter anderem an Vincenz.

Kurz darauf wurde Vincenz festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, sich bei Firmenübernahmen durch seinen Arbeitgeber privat selbst bereichert zu haben. Der Gerichtsprozess findet im Januar statt. Für Vincenz gilt die Unschuldsvermutung. Das Ehepaar Ceregato/Vincenz hat sich mittlerweile scheiden lassen.

Heute Morgen, 12.11.2021, 6 Uhr

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