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Ist die Atomkraft in Europa wieder auf dem Vormarsch?
Aus Echo der Zeit vom 12.01.2022. Bild: Keystone
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AKWs in Europa Erlebt die Atomenergie in Europa eine Renaissance?

Atomkraft soll als «nachhaltig» gelten – Ein Vorschlag der EU-Kommission verblüfft die Fachwelt, die Branche jubelt.

Die EU-Kommission sende mit ihrem Vorschlag, Atomenergie als nachhaltig zu bezeichnen, ein starkes Signal aus, sagt Lukas Aebi hocherfreut. Er ist Geschäftsführer des Schweizer Nuklearforums. Denn die Atomenergie sei Teil der Lösung des Klimaproblems und nicht Teil des Problems. Die Branchenorganisation Schweizer Nuklearforum hofft deshalb, dass sich das Thema auch in der Schweiz wieder mehr versachlicht.

Die EU-Kommission zeigt damit, dass Kernenergie Teil der Lösung des Klimaproblems ist.
Autor: Lukas Aebi Geschäftsführer Schweizer Nuklearforum

Ganz anders sieht das Mycle Schneider, langjähriger Atomenergie-Analyst und Herausgeber eines viel beachteten jährlichen Berichts zum Stand der Atomkraft weltweit. Er findet das Signal der EU-Kommission kurios. Denn nachhaltig bedeute ja auch, dass nachkommenden Generationen keine negativen Einflüsse hinterlassen werden sollen. «Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, wenn nukleare Abfälle über hunderttausende von Jahren toxisch strahlen?», fragt Schneider.

Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, wenn nukleare Abfälle über hunderttausende von Jahren toxisch strahlen?
Autor: Mycle Schneider Atomenergie-Analyst

Chance für grüne Finanzprodukte? 

Dass die EU der Atomkraft ein grünes Label geben will, ist eine Sache. Ob dann wirklich zusätzliches Geld in die Atomkraft fliesst, eine andere. Doch  Aebi ist optimistisch: Wichtige Akteure auf den Finanzmärkten wie multilaterale Entwicklungsbanken, Staatsfonds oder grosse Bankhäuser könnten so zumindest Atomenergie in die Portfolios nehmen, wenn sie grüne Finanzprodukte schüfen.

Auch Analyst Schneider hält es für möglich, dass mit dem Label neue Gelder in Atomkraftwerksprojekte fliessen. Das werde aber letztlich absolut nichts am Schicksal der Atomenergie weltweit ändern. Denn die Vorlaufzeiten für Neubauprojekte seien viel zu langfristig und viel zu ineffizient, wenn es um den heutigen Klimanotstand gehe.

Branche hofft: kleine modulare Reaktoren

Tatsächlich sind derzeit in Europa lediglich vier Reaktoren im Bau, alle schon seit Jahren und alle mit Verspätung. Einer wird derzeit in Finnland ans Netz genommen. Weltweit ist die Stromproduktion aus Atomkraftwerken in den letzten 15 Jahren tendenziell rückläufig, während andere Stromproduktionsarten deutlich zugelegt haben.

Trotzdem schöpft die Branche nun Hoffnung – insbesondere mit Blick auf neuartige, kleine und modulare Reaktoren. In Russland etwa sei der erste solche Reaktor bereits in Betrieb und versorge eine kleine Stadt in Sibirien mit CO2-freiem Strom, stellt Aebi vom Nuklearforum fest. China baue gerade den ersten, der 2025 ans Netz gehen soll.

In Russland ist der erste kleine modulare Reaktor bereits in Betrieb und versorgt eine kleine Stadt in Sibirien pausenlos mit CO2-freiem Strom.
Autor: Lukas Aebi Geschäftsführer Schweizer Nuklearforum

Dass Europa bei dieser Entwicklung hinterherhinkt, sollte zu denken geben, betont Aebi. Schneider dagegen hält die kleineren modularen Reaktoren für Zukunftsmusik. Sie kämen, wenn überhaupt, viel zu spät.

Comeback möglich oder Illusion?

Die Branche in der Schweiz und in vielen anderen Ländern hofft also auf ein Comeback der Atomkraft, weil die Technologie nur geringe Treibhausgas-Emissionen hat.

Dabei würden die Probleme der Technologie und ihre immensen Risiken derzeit in der öffentlichen Debatte krass unterschätzt, betont Schneider: Das Problematische sei letztlich, dass unter Umständen erhebliche Summen Geld in eine Option flössen, die im Bestand nicht liefere und im Neubau viel zu lange Vorlaufzeiten habe.

Das ist nach den Worten von Schneider katastrophal: «Wir können es uns nicht leisten, nicht jeden Euro oder Franken in jene Option zu stecken, die möglichst schnell möglichst viel Treibhausgase vermeiden hilft.» Sprich: in Wasser-, Sonnen- und Windkraft.

Das Problematische ist letztlich, dass unter Umständen erhebliche Summen in eine Option fliessen, die im Bestand nicht liefert und im Neubau viel zu lange Vorlaufzeiten hat.
Autor: Mycle Schneider Atomenergie-Analyst

Diese Optionen müssten allerdings auch in der Schweiz viel schneller ausgebaut werden als bisher, wenn die Energiewende ohne Atomkraft gelingen soll.

Echo der Zeit, 12.01.2022, 18:00 Uhr

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