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Strasse bei Nacht.
Legende: Mit dem Ausbau der Transportwege zwischen China und Europa will Peking den Welthandel neu ordnen. Colourbox

Chinas neue Seidenstrasse Schweizer wollen auf dem Superhighway des Welthandels mitfahren

Die neue Seidenstrasse ist das grösste Wirtschaftsprojekt der Geschichte. Dabei zu sein, ist – trotz Risiken – lukrativ.

Firmen wie Sika, Nestlé oder ABB sind längst aktiv in den Ländern entlang der neuen Seidenstrasse. ABB beispielsweise liefert Generatoren für Kraftwerke im Nahen Osten. Und Sika hat im letzten Jahr ein neues Werk in Pakistan eröffnet. Dadurch ist der Hersteller für Bauchemie in einem der Schwerpunktländer der neuen Seidenstrasse präsent.

Mammut-Projekt neue Seidenstrasse

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Tausende Kilometer Schienen, Pipelines und Häfen – mit der neuen Seidenstrasse verändert sich die Logistik auf der ganzen Welt (s. Karte unten).

Einige Kernstücke bestehen bereits, etwa neue Eisenbahn-Verbindungen zwischen chinesischen Metropolen und Städten wie Duisburg in Deutschland. Vor fünf Jahren fuhren rund 80 Züge von China nach Europa, in diesem Jahr sollen es bereits über 4000 sein.

Neue Häfen im Indischen Ozean haben Anpassungen bei den internationalen Seewegen zur Folge. Mit dem Ausbau der Verkehrswege in China, Zentralasien und Europa werden sich die globalen Transportwege verändern.

Aber auch für Versicherungen, High-Tech-Unternehmen und innovative Start-ups eröffnen sich neue Geschäftsfelder. Drei Beispiele:

Savvy: Digitalisierung der Logistik

Mit der neuen Seidenstrasse wird sich das Transportvolumen erhöhen. Dies zwingt die globale Logistik zu einem Umdenken, die Branche muss sich digitalisieren. Bisher wurde jeder Container manuell erfasst und bis zum Abladen permanent überwacht.

Dieses System hat Nachteile: Die Informationen kommen zeitversetzt, bis zu 24 Stunden später. Und die permanente Überwachung bindet viel Arbeitszeit.

Das Schaffhauser Unternehmen Savvy Telematic Systems hat ein Gerät entwickelt, welches an Container oder Eisenbahnwagen montiert wird und permanent Daten wie Temperatur, Erschütterungen, Ort und Zeit in die Cloud sendet. «Wir stellen Transparenz her», sagt Geschäftsführerin Aida Kaeser über ihr Produkt.

Sobald es Probleme gibt, wird der Transporteur oder der zuständige Disponent per SMS oder Mails informiert. Von jedem Computer oder Handy aus kann er auf die Daten des Containers zugreifen, egal wo sich dieser auf der Welt befindet. Dies entlastet die Disponenten.

Das Gerät hat in etwa die Grösse eines dicken Buches. Sein Innenleben besteht aus einer Batterie mit einer Laufzeit von mehreren Jahren. Und der Elektronik, um die Daten zu erfassen und weiterzuleiten. Sowohl das Gerät wie auch die Software, welche die Kommunikation gewährleistet, sind Eigenentwicklungen von Savvy Telematic.

Zu den Kunden gehören grosse Bahngesellschaften wie SBB und die Deutsche Bahn. Und Logistikbetriebe wie Bertschi. Da China den Schienenverkehr bis nach Europa stark ausbaut, profitiert Savvy von der neuen Seidenstrasse. Bereits heute erzielt das Start-up Umsätze im Millionenbereich.

Swiss Re: Milliarden an Versicherungsprämien

Rund 1000 Milliarden US-Dollar will China in den nächsten Jahren in Infrastrukturprojekte entlang der neuen Seidenstrasse investieren. Infrastruktur-Bauten wie Strassen, Brücken oder Häfen müssen versichert werden. Eine gute Gelegenheit für den Schweizer Rückversicherer Swiss Re.

Chefökonom Jerome Haegeli zählt auf: «Wir versichern die Konstruktionsrisiken. Wir versichern das Risiko, dass überhaupt eine Baufinanzierung zustande kommt. Wir versichern das Risiko, bis es läuft.»

Rund um die neue Seidenstrasse rechnet der Rückversicherer mit Milliarden-Einnahmen an neuen Prämien. Swiss Re tritt aber nicht nur als Versicherer auf, sondern auch als Investor.

Denn klar ist: China kann das Projekt neue Seidenstrasse nicht alleine finanzieren und ist auf private Investoren angewiesen. Chefökonom Jerome Haegli sagt: «Infrastruktur-Projekte sind für einen langfristig orientierten Investor wie Versicherungen oder Pensionskassen extrem interessant und attraktiv.»

Bühler: Nahrungsmittel für China

Das Reich der Mitte hat ein riesiges Umweltproblem: Die Böden sind verseucht, viele Gewässer kontaminiert. China kauft und pachtet deshalb auch entlang der neuen Seidenstrasse Land. Von Südostasien bis Zentralasien sichert es sich mit Reis und Weizen ab.

Hier kommt die Bühler Group aus Uzwil ist Spiel: Sie ist der weltweit grösste Anbieter für industrielle Prozesstechnologien im Bereich Nahrungs- und Futtermittel-Industrie. Bühler ist seit 1983 in China aktiv, vor wenigen Monaten hat das Unternehmen seinen siebten Standort in China eröffnet. In Changzhou entstand ein Produktions- und Forschungszentrum im Bereich Tierfutter und Getreidelogistik.

China wird als Dreh- und Angelpunkt immer wichtiger: Länder entlang der neuen Seidenstrasse bestellen Produktionsanlagen nicht mehr in erster Linie am Hauptsitz von Bühler in Uzwil, sondern bei Bühler in China.

Chinesischer Führungsanspruch als Kritikpunkt

Die neue Seidenstrasse ist lukrativ für Schweizer Firmen. Aber sie steht auch in der Kritik: Von der chinesischen Regierung als Chance auch für arme Länder vermarktet, hat sie nach Ansicht von Experten auch andere Ziele.

So sagt der Politikwissenschaftler Siegfried Wolf, der bereits mehrere Bücher zur neuen Seidenstrasse verfasst hat: «Man vermutet durchaus, dass das Ganze auch eine geopolitische und geostrategische Seite hat. Von daher kann man dieses Friedensprojekt ein wenig in Frage stellen – wenn man bedenkt, dass viele Projekte wirtschaftlich nur bedingt Sinn ergeben.»

Woher das Geld kommt

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Insgesamt will China in den nächsten zehn Jahren rund 1000 Milliarden Dollar investieren.

Für die Anschubfinanzierung hat der chinesische Staat extra einen Seidenstrassen-Fonds aufgelegt, ausgerüstet mit 40 Milliarden Dollar aus angehäuften Devisenreserven.

Viele Projekte werden auch von Entwicklungsbanken unterstützt:

  • Die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) ist mit 100 Milliarden US-Dollar ausgestattet, insbesondere zur Finanzierung von Infrastruktur-Projekten in Asien. China ist mit 25 % der grösste Kapitalgeber, der Rest wird durch die übrigen Mitglieder finanziert. Die Schweiz ist mit 700 Millionen US-Dollar mit von der Partie.
  • Ebenfalls 100 Milliarden US-Dollar im Topf hat die BRICS New Development Bank, geschaffen als multilaterale Entwicklungsbank zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern.

Dazu kommen Darlehen von Chinas Staatsbanken, wie China Development Bank, China Export-Import Bank, China Agricultural Development Bank.

Ein Beispiel ist Sri Lanka. Dort gehört der grösste Hafen des Landes inzwischen China, auch wenn von den Tausenden Schiffen, die jedes Jahr vorbeifahren, nur wenige Dutzend anlegen. Strategisch liegt das Land aber so, dass es für China von Interesse ist.

Vom versprochenen Aufschwung spüren die Bewohner rund um Hambantota bisher wenig. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Pakistan: China hat dem Land bereits 60 Milliarden US-Dollar an Krediten vergeben und das Land damit auch abhängig gemacht.

Bundesrätin Doris Leuthard, die Xi Jingping bereits persönlich getroffen hat, sieht ebenfalls die zwei Seiten der Medaille. Sie sagt im Interview über das Projekt: «Es kann etwas Positives sein, etwas Verbindendes – auch im Sinne von Entwicklung. Es kann aber auch neue Abhängigkeiten schaffen, es gibt neue Risiken.»

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