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Crowdfunding erfolgreich Geldnot beim Rotpunkt-Verlag zeigt grundsätzliches Problem

Kleine Schweizer Verlage haben eine wichtige kulturelle Aufgabe – aber sie leiden unter der Inflation und unter dem starken Franken.

Wer einen Film drehen, einen Food-Truck starten oder einen Skatepark aufbauen will und nicht genug Geld hat, der oder die greift heutzutage zum Crowdfunding. Im Idealfall spenden dann hunderte von Menschen einen Geldbetrag, damit das entsprechende Projekt gestartet werden kann.

Für Aufsehen sorgt jetzt ein besonderes Crowdfunding in der Kulturszene: Der traditionsreiche Rotpunkt-Verlag braucht Geld. Und das nicht, um ein bestimmtes Projekt zu finanzieren, sondern um schlichtweg seine Zukunft zu sichern.

Umsatzeinbruch nach der Pandemie

Man habe während der Corona-Pandemie viele Bücher verkaufen können, sagt Patrizia Grab, Verlagsleiterin des Rotpunkt-Verlags. «Doch nach Corona kam der Taucher.» Seither würden viel weniger Bücher gekauft. Hinzu komme die Teuerung, die der Verlag nicht einfach so auf die Preise überwälzen könne.

Nach Corona kam der Taucher.
Autor: Patrizia Grab Leiterin des Rotpunkt-Verlags

Um die finanzielle Situation des Verlags zu stabilisieren, habe man nun eben zum Mittel des Crowdfundings gegriffen. «Das ist aus der Not entstanden», so Grab. Das positive Ergebnis auf den Aufruf zeige, dass es für viele Menschen ein Bedürfnis sei, dass der Rotpunkt-Verlag weiterexistieren kann.

Mehr als 125'000 Franken gesammelt

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Mehr als 600 Personen haben kleinere oder grössere Beträge gespendet, damit es den Rotpunkt-Verlag weiterhin gibt. Damit ist das Ziel von 125'000 Franken schon mehrere Tage vor Fristablauf erreicht worden. Zugutegekommen sei dem Verlag das gute Netzwerk und die vielen Autoren, die ihn unterstützten, so Verlagsleiterin Patrizia Grab. «Fast noch erfreulicher als das Geld ist die grosse Resonanz: Der Buchhandel, andere Verlage, Leserinnen und Leser wollen, dass es uns als Verlag weiterhin gibt.»

Der Rotpunkt-Verlag gibt Literatur von Schweizer Autorinnen und Autoren wie Christoph Keller, Leta Semadeni oder Matthias Zschokke heraus, aber auch politische und historische Sachbücher.

Verlag mit kulturellem Auftrag

Eine Spezialität von Rotpunkt sind zudem thematische Wanderbücher entlang von kulinarischen oder kulturhistorischen Eigenarten. Diese Bücher finden zwar ein gewisses Publikum, erreichen aber keine riesigen Auflagen.

Wenn 20'000 Bücher weggehen wie zuletzt beim Roman «Davonkommen» von Fabio Andina, dann ist das bereits viel. Verlagsleiterin Grab betont denn auch, man habe als Rotpunkt-Verlag einen kulturellen Auftrag.

Zwar unterstützt der Bund genau deshalb die Schweizer Verlage mit zwei Millionen Franken jährlich. Doch es bräuchte mehr, sagt Grab. Die Buchbranche erhofft sich eine deutliche Erhöhung auf 2.8 Millionen jährlich. Der Bundesrat ist darauf aber nicht eingestiegen, jetzt hofft die Branche aufs Parlament.

Etliche Schweizer Verlage leiden

Der seit fast 50 Jahren bestehende Rotpunkt-Verlag ist nicht der einzige, dem es finanziell schlecht geht, weiss Tanja Messerli, Geschäftsführerin des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbandes.

Auch sie führt die Inflation als einen der Gründe an für die Schwierigkeiten. Zudem sei es seit 2009 wegen des starken Frankens schwierig, Bücher im Ausland zu verkaufen, auch wenn man dort einen guten Ruf habe.

Im kleinen Schweizer Markt ein Auskommen zu finden ist also schwierig; auf den grossen deutschen Markt zu kommen, aufwändig und riskant.

Erfolgreiche Autoren wechseln Verlag

Dabei sei die Buchbranche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, betont Messerli. Die Branche setzt pro Jahr nach eigenen Angaben mehr als 800 Millionen Franken um. Die Schweizer Verlage steuern rund 150 Millionen Franken dazu bei.

Zudem sichern sie Arbeitsplätze und fördern den literarischen Nachwuchs. Doch wenn eine Autorin oder ein Autor dann den Durchbruch schafft, tragen oftmals ausländische Grossverlage die Früchte des Erfolgs.

Das ist zwar gut für die Schweizer Literatur, aber nicht unbedingt für die Schweizer Verlage.

Rendez-vous, 2.5.2024, 12:30 Uhr;kesm

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