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Der Chef tritt ab Zumbrunnen hievte die Migros ins digitale Zeitalter

Der orange Riese bleibt allerdings schwierig zu steuern. Das hat mit seiner Organisationsform zu tun.

Als Fabrice Zumbrunnen vor fünf Jahren Migros-Chef wurde, machte er sich daran, dem orangen Riesen eine Art Fitnessprogramm zu verpassen.

Er verkaufte die Warenhausgruppe Globus. Zwar fanden Kritiker den Preis zu tief und die Käufer die falschen. Doch Zumbrunnen fand, Globus passe nicht mehr zur Genossenschaft. Ebenso erging es der Velomarke M-May und dem Möbelhaus Interio. Auch rund 300 Stellen baute Zumbrunnen ab.

Migros online vorwärtsgebracht

Eine der grossen Leistungen von Fabrice Zumbrunnen sei die Digitalisierung, sagt Marketing-Expertin Johanna Gollnhofer von der Universität St. Gallen. «Den Onlineshop hat die Migros erfolgreich auf- und ausgebaut.» Dass Konsumentinnen heute vermehrt online einkaufen, hat massgeblich mit der Strategie Zumbrunnens zu tun.

Die Migros hat den Onlineshop erfolgreich auf- und ausgebaut.
Autor: Johanne Gollnhofer Marketing-Expertin Uni St. Gallen

Zwar hat die Pandemie dem Vorhaben des Chefs in die Hände gespielt. Viele Konsumenten wollten lieber zu Hause bleiben, statt Lebensmittel vor Ort einzukaufen. Also klickten sie sich in die Onlineshops der Detailhändler, auch bei Migros. Dadurch sei die Migros in den letzten Jahren erfolgreich in die digitale Welt eingetreten, so Gollnhofer.

Unter der Ära Zumbrunnen wurde aus dem früheren, kleineren Onlineshop «LeShop» einfach Migros Online. Die Marketing-Expertin erkennt darin eine klare Markenführung. Auch die Frage, ob die Migros Alkohol verkaufen soll, wusste der Detailhändler geschickt als PR-Coup zu nutzen. Denn die Migros und ihre Werte waren öffentlich im Gespräch – während Monaten.

Nachhaltige Migros

Einen weiteren Verdienst Zumbrunnens sieht Gollnhofer in der nachhaltigen Ausrichtung des Detailhändlers. So hat die Migros neue Produkte, wie vegane Produkte oder auch neue Kaffee-Kapseln, ins Sortiment aufgenommen, die für Nachhaltigkeit stehen.

«Die Migros hat es dabei geschafft, dass die Kunden die Migros als Ganzes als nachhaltig wahrnimmt.» Nachhaltig und digital: Das sind also die Stempel, die Fabrice Zumbrunnen der Migros aufdrückte.

Wir sind demokratisch organisiert – quasi ein Stück Schweiz
Autor: Fabrice Zumbrunnen Migros-Chef März 2017 bis April 2023

Doch einige Herausforderungen blieben: So ist die Migros zwar schlanker geworden. Aber noch immer sind ihre Strukturen kompliziert. Der orange Riese ist ein Geflecht aus regionalen Genossenschaften. Kritiker sprechen von Regionalfürsten und von ineffizienten Doppelspurigkeiten. Doch auch Zumbrunnens Nachfolger wird sich mit diesen Strukturen abfinden müssen.

Grund für Rücktritt unklar

Er selbst sah darin aber bei seinem Antritt vor rund fünf Jahren keine grossen Barrieren, wie er in einem Interview beim Amtsantritt sagte. «Wir sind demokratisch organisiert – quasi ein Stück Schweiz», sagte er. Ausserdem habe Wandlungsfähigkeit nicht mit Strukturen, sondern mit Kultur zu tun.

Die Digitalisierung der Migros gelang ihm also trotz genossenschaftlicher Strukturen. Für Zumbrunnen war das damals auch kein Widerspruch. «Wenn es um das Ideengut der Migros geht, stehe ich für Kontinuität. Wenn es um die Geschäftsentwicklung geht, stehe ich für Erneuerung.»

Ob nun doch die Strukturen oder persönliche Zerwürfnisse – oder ganz andere Gründe den Ausschlag für den Rücktritt per Ende April 2023 gaben, dazu schweigt Zumbrunnen derzeit noch. Klar ist: Herausforderungen wie das Navigieren innerhalb der bestehenden Strukturen bleiben auch für den nächsten Migros-Chef bestehen.

Rendez-vous vom 26.10.2022, 12:30 Uhr

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