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Detailhandel im Umbruch Kampfzone Lieferfrist

Heute bestellt, morgen geliefert: Das ist das erklärte Ziel vieler Anbieter. Auch Schweizer Unternehmen spüren den Druck.

Europäische Kleiderketten waren die Vorboten einer neuen Entwicklung. Seit den 1980er Jahren machen ausländische Anbieter den Schweizer Detailhändlern Konkurrenz. Und diese Entwicklung wird sich verstärken, wie Sascha Jucker, Detailhandelsexperte bei der Credit Suisse, feststellt: «Die Globalisierung einer Branche, die davor binnenorientiert war, wird noch einige Jahre anhalten.»

Jedes siebte im Handel tätige KMU sagt, dass es grosse Konkurrenz aus China spürt.
Autor: Sascha Jucker Detailhandelsexperte bei der Credit Suisse

So kauft ein substantieller Teil der Schweizer Bevölkerung inzwischen Güter des täglichen Bedarfs im nahen Ausland ein – vor allem seit der Aufwertung des Frankens im Jahr 2015. Zu diesem Schluss kommt eine Studie zum Zustand des Detailhandels. Aber auch der Onlinehandel wälzt die Branche um. Per Mausklick werden immer mehr Waren am anderen Ende der Welt bestellt.

Spürbare Konkurrenz aus China

«Die Konkurrenz kommt zwar grösstenteils aus der Schweiz oder dem benachbarten Ausland», so Jucker. «Aber mittlerweile sagt jedes siebte im Handel tätige KMU in unseren Umfragen, dass es grosse Konkurrenz aus China spürt. Das sieht man entsprechend bei den Umsatz- und den Jobzahlen.»

Und das zeigt sich auch bei der Post. 2018 trafen dort pro Tag über 120'000 Pakete und Kleinsendungen aus dem Ausland ein – alleine aus dem asiatischen Raum waren es 80'000 Stück. 2015 waren es erst 20'000 gewesen. Und bislang hatten ausländische Onlineanbieter gar einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Schweizer Detailhändlern: Sie mussten keine Mehrwertsteuer zahlen.

Tieferer Preis und weniger Porto

Am 1. Januar hat sich das geändert. Seither müssen grundsätzlich auch ausländische Anbieter die Mehrwertsteuer entrichten. Damit sind die Spiesse für in- und ausländische Anbieter gleich lang – zumindest auf dem Papier.

Ziel dieser Investitionen ist, den Kunden innerhalb von 24 bis maximal 72 Stunden zu beliefern.
Autor: Patrick Kessler Geschäftsführer des Verbandes der Onlinehändler

Trotzdem machen sich die Schweizer Händler keine Illusionen, wie Patrick Kessler, Geschäftsführer des Verbandes der Onlinehändler, sagt: «Wir glauben aber nicht, dass das den Markt substantiell verändert wird. Die Vorteile in Sachen Preise und Versandporti liegen immer noch auf der Seite der ausländischen Unternehmer.» Hingegen kann der Schweizer Detailhandel gegenüber der asiatischen Konkurrenz mit kurzen Lieferfristen punkten.

Neue Dimension der Geschwindigkeit

Noch. Denn: «Wir sehen aber auch diese Entwicklung, dass chinesische Plattformen wie Alibaba mit Logistikinfrastrukturen nach Europa drängen», so Kessler. «Und erklärtes Ziel dieser Investitionen ist, den Kunden innerhalb von 24 bis maximal 72 Stunden mit diesen Logistikinfrastrukturen zu beliefern. Damit erhält das Thema Geschwindigkeit nochmals eine neue Dimension.»

Bereits in drei oder vier Jahren werden asiatische Anbieter diesen Nachteil behoben haben, glaubt er. So wie eine schwedische Möbelkette den gestandenen Schweizer Einrichtungshäusern das Fürchten gelehrt hatte, werden künftig auch asiatische Anbieter den Schweizer Handel weiter durcheinander wirbeln. Egal ob stationär, in der Innenstadt oder digital.

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