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Deutsches Satiremagazin «Titanic» kurz vor dem Untergang gerettet

Das bekannteste Satiremagazin Deutschlands besteht offenbar weiterhin – dank vieler neuer Abos und Spenden.

In den letzten 45 Jahren ist «Titanic» zu einer Ikone geworden. Einige der Titelseiten sind legendär. So zum Beispiel die Titelseite vom November 1989, als die deutsche Mauer fiel. Die fiktive Person «Zonen-Gaby» freute sich über eine Gurke in der Hand, mit den Worten: «meine erste Banane.» Eine Anspielung auf das reduzierte Konsumangebot der früheren DDR.

Cover
Legende: zvg

Schlagzeilen machte «Titanic» in letzter Zeit aber vor allem mit Geldsorgen und mit einer dem Magazinstil getreuen «endgültigen Rettungskampagne». «Titanic» sei so pleite wie noch nie, hiess es – gesucht seien 5000 neue Abonnenten. Prominente wie der deutsche Satiriker Jan Böhmermann («Ich rette Titanic, weil Satire alles darf») unterstützten die Aktion.

Opfer der Inflation

Grund für den finanziellen Engpass sei die Inflation, so Chefredaktorin Julia Mateus. Die Papier-, aber auch die Vertriebskosten seien gestiegen. Gemäss dem Medienexperten Guido Keel von der Zürcher Hochschule ZHAW spiegelt sich in der Not auch der Zeitgeist. «Titanic ist ein Kind der 70er-, 80er-Jahre», sagt er. Das Magazin habe trotz Online-Auftritt den Schritt hin zu einem neuen Publikum nicht ganz geschafft.

Die legendärsten Titelseiten des Titanic-Magazins

Kritikerinnen empfinden «Titanic» als brachial, unsensibel, derb, von «alten weissen Männern» geprägt. Dabei steht an der Spitze der Redaktion mit Julia Mateus eine Frau mit Jahrgang 1984 («Kindergartenabbruch 1988», wie es dazu auf ihrer Homepage heisst).  Die Chefredaktion wechselt alle fünf Jahre.

Veränderung sei Teil der Strategie. «Aber klar, vielleicht ist das nun der Anlass, über ein paar Sachen nachzudenken», so Mateus. Marktforschung und Marketing waren indes noch nie Sache der «Titanic». Die Macherinnen und Machen verstehen sich eher als künstlerisches Kollektiv. «Titanic» sei anspruchsvoller, tiefgründiger, vielfältiger als andere Satireformate, die kostenlos auf Social Media kursieren. «Wir haben auch den absurden Humor, den Nonsens-Humor, den endgültigen Witz», so Mateus.

6000 neue Abonnenten gewonnen

Nun hat der Wind für «Titanic» offenbar gedreht. «Wir haben unser Ziel erreicht», sagte Chefredakteurin Julia Mateus gegenüber dem «Spiegel», es liege sogar eine «Übererfüllung des Plans» vor. Die FAZ und «Die Zeit» berichten übereinstimmend, das Satiremagazin habe 6000 neue Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen können und insgesamt 34'000 Euro an Spenden eingenommen.

Echo der Zeit, 19.09.2023, 18 Uhr

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