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Digitale Assistenten Alexa, bring mir gute Noten!

Eine Studie der Uni St. Gallen kommt zum Schluss: Persönliche Sprachassistenten können Lernhilfen sein. Es winkt ein Milliardengeschäft.

Der Doktorand Rainer Winkler hat für seine Studie über digitale Assistenten an einem Gymnasium und an einer Berufsschule je zwei Parallelklassen mit gleichen Lehrpersonen ausgewählt. Die eine Klasse lernte klassisch, die andere nutzte die virtuelle Assistentin Alexa, welche, eigens dafür programmiert, zum behandelten Thema Fragen stellte und Hilfe anbot.

Das Ziel war, dass die Lernenden diese Problemlöseschritte selbst ohne Hilfe von Alexa anwenden können.
Autor: Rainer Winkler Studienautor

«Je nachdem, was der Lernende schon konnte, hat Alexa mehr oder weniger weitergeholfen. Das Ziel war, dass die Lernenden diese Problemlöseschritte selbst ohne Hilfe von Alexa anwenden können», erklärt Winkler. Ein Test nach fünf Wochen zeigte: Die Klassen, die mit solchen digitalen Assistenten der Tech-Giganten Amazon, Google oder Apple lernten, schnitten besser ab.

Veränderte Rolle der Lehrpersonen

Winkler ist deshalb überzeugt, dass sich die Rolle der Lehrpersonen verändert, weg von der reinen Vermittlerin von Wissen: «Die Lehrperson soll versuchen, die Lernumgebung zu schaffen, damit Lernen überhaupt möglich ist.» Zum Beispiel, indem sie solche digitale Assistenten mit Wissen versorgt. Das Programmieren sei einfach und die Daten immer wieder verwendbar.

Die Tech-Giganten hätten auch ein grosses Interesse daran, dass ihre Assistenten mit möglichst viel Wissen gefüttert würden, sagt Winkler. Denn: Daten sind das neue Gold. Das heisse aber auch, dass sich Unis und andere Bildungsinstitute gut überlegen müssten, wem sie diese Lerndaten – quasi ihr Wissenskapital – zur Verfügung stellen würden.

Studierende in der Bibliothek
Legende: Verändertes Lernen: Digitale Sprachassistenten können auf individuelle Bedürfnisse der Lernenden eingehen. Keystone

Deren Aufbereitung sei ein neues Geschäftsmodell, so Winkler: «Es ist eine Frage der Zeit, bis immer mehr Unternehmen diese Technologie nutzen, um sie dann weiterzuverkaufen. Und das nicht nur an Universitäten und Schulen, sondern auch an Online-Weiterbildungsinstitutionen. Diese können mit dieser Technologie noch bessere Kurse anbieten. Das lässt sich in Geld umwandeln.» Kurz: Ein Milliardengeschäft.

Volksschulen profitieren weniger

In erster Linie könnten private Weiterbildungsfirmen und Hochschulen von solchen Maschinen profitieren, weniger die regional organisierte Volksschule, sagt Pädagogin Rahel Tschopp. An der Pädagogischen Hochschule Zürich leitete sie bis vor kurzem das Zentrum Medienbildung und Informatik.

Wenn quasi alles im Internet abgerufen werden kann, werfe das auch grundsätzliche Fragen rund um die Bildung auf: «Die Frage ist ja: Was muss man wissen, um etwas nachschauen zu können?»

Für Tschopp stellt sich auch die Frage, wie viel Individualisierung in der Schule zugelassen werden soll. Kinder und Studierende hätten während ihrer Ausbildung so viel Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturen wie sonst kaum mehr – ein sehr wichtiger Faktor für die persönliche Entwicklung.

Kein Allheilmittel für Bildungsstätten

Maschinen könnten sicher einen Teil der Wissensvermittlung übernehmen und zugleich die Lehrpersonen entlasten, ist Tschopp überzeugt: «Gerade dort, wo es um Grundlagenwissen oder vertieftes Wissen geht. Aber sobald es darum geht, kompetenzorientiert zu denken, braucht es einen Verbund von Personen, die sich gemeinsam mit einer Fragestellung auseinandersetzen.»

Doktorand Rainer Winkler pflichtet Tschopp bei: Der Einsatz digitaler Assistenten sei nicht das Allheilmittel für Bildungsinstitute. Sie seien eine Hilfe beim Lernen, denken müssten die Studierenden immer noch selber.

Rendez-vous vom 15.9.2020

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