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Drohende Gasknappheit Was ist, wenn sich die Situation im Frühling nicht verbessert?

Die Abhängigkeit von russischem Gas wird den Winter überdauern. Und die Gefahr besteht, dass die Speicher leer laufen. Ein Szenario, das teuer werden könnte.

Es ist ein Dilemma wie aus dem Bilderbuch – und der vielleicht grösste Hebel, den Russland im Kontext des Kriegs in der Ukraine gegenüber Europa hat: der Gashahn. Bleibt er zu, drohen Engpässe. Geht er auf, finanzieren demokratische Länder Wladimir Putins Krieg.

Gasleitungen in Wilhelmshaven. Von hier aus sollte schon bald Flüssiggas nach Europa kommen.
Legende: Licht am Ende des Tunnels? Das LNG-Terminal im norddeutschen Wilhelmshaven sollte noch vor Weihnachten in Betrieb gehen. Keystone/DPA/SINA SCHULDT

Dieser Winter wird für die Schweiz, das rund die Hälfte der Gasimporte über Deutschland von Russland importiert, daher herausfordernd. Und die Wahrscheinlichkeit scheint gross, dass die Gasspeicher im Frühling weitgehend leer sein werden.

So weit, so bekannt. Doch was passiert, wenn Putin den Gashahn bei leeren Speichern im Frühling zugedreht lässt? Könnte die Situation im Winter 2023/2024, wie es die deutsche Energieexpertin Karen Pittel in «Die Zeit» angedeutet hat, noch dramatischer werden?

Umstellung auf Flüssiggas wird sich auswirken

Tony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH in Zürich, betont: «Vieles ist noch unsicher.» Genaue Prognosen wagt er nicht. Vielmehr umreisst er die Massnahmen, die nun getroffen werden.

Da sind zunächst die LNG-Terminals, die in Europa geplant sind. So sollte noch vor Weihnachten die Anlage im norddeutschen Wilhelmshaven ihren Betrieb aufnehmen. Auch in anderen Städten wie im spanischen Gijón oder dem griechischen Alexandroupoli wird gerade für den Flüssiggasumschlag gebaut.

«Das Flüssiggas dürfte vor allem aus Nordamerika und wahrscheinlich Nordafrika kommen», so Patt. Tatsächlich sind nämlich die USA das Land, welches weltweit am meisten Erdgas fördert. Das maghrebinische Land Algerien folgt auf Rang 10. Und auch Norwegen wird seine Rolle als wichtiger Gasexporteur weiter festigen.

Also alles halb so wild? Nicht ganz. Denn auch wenn jede Preisvorhersage gemäss Patt spekulativ ist, scheint klar: Flüssiggas wird teuer werden. «Die Kosten für die Versorgung aus Russland waren extrem niedrig, während die Kosten für die Versorgung über LNG etwa 40 Prozent höher sind», führt Patt aus.

Dass es ähnliche Preissprünge wie in diesem Sommer gibt – der Gaspreis ist im Spätsommer geradezu explodiert – hält Patt für relativ unwahrscheinlich, wenn auch nicht ausgeschlossen: «Die Umstellung auf LNG wird sich auswirken, aber im Vergleich zu den letzten Preisschwankungen, die durch die Sorge um die Knappheit ausgelöst wurden, sind die Auswirkungen eher gering.»

Ums Sparen wird man nicht herumkommen

Zudem können die LNG-Terminals nicht sämtliche Gasimporte aus Russland ersetzen. Patt wagt eine Schätzung: «Das zusätzliche Flüssiggas könnte ungefähr die Hälfte der bisherigen Einfuhren aus Russland decken.»

Bund ist sich Herausforderung bewusst

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Dass der Winter 2023/2024 anspruchsvoll werden könnte, ist auch dem Bund bewusst. Dies bestätigt Brigitte Mader, Sprecherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), auf Anfrage.

Es gelte zuerst einmal, die kommende kalte Jahreszeit zu bewältigen. Diese könne je nach Verlauf immer noch herausfordernd werden. Sie sagt aber auch: «Es ist richtig, dass der Fokus dann auch schon auf den Winter 2023/2024 gerichtet werden muss.» Dabei sei es für Europa wichtig, «nicht mit sehr tiefen Gasspeicherständen im Frühling in die Speicherfüllsaison zu starten».

Auf lange Sicht betont Mader letztlich die Wichtigkeit der erneuerbaren Energie: «Das Ziel gemäss Energiestrategie ist: Die fossilen Energieträger, also auch Erdgas, durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen.»

Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass die andere Hälfte der bisherigen Gasimporte durch LNG-Terminals nicht gedeckt werden. Patt sagt: «Diesbezüglich müssen wir über das ganze Jahr klug handeln.» Das heisst, auch im Sommer wenig Strom verbrauchen und die Speicherkapazitäten erhöhen. Langfristig müssten Heizsysteme ausgewechselt und Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden. «Und zwar so schnell wie möglich», betont Patt.

Der Griessee und vier Windräder. Es ist ein spektakuläres Bild. Mit einer unglaublichen Tiefe.
Legende: Der Weg in die Energieunabhängigkeit führt über erneuerbare Energiequellen. Hier die Kraftwerke der Anlage Griessee im Kanton Wallis, dem höchstgelegenen europäischen Windpark. Keystone/OLIVIER MAIRE

Werden also die Hausaufgaben gemacht, könnte man bald über dem Berg sein. So sagt Patt: «Für diesen Winter könnte es kritisch werden. Danach dürfte sich die Lage beruhigen.» Dies gilt zumindest für die Energieversorgung. Wie die höheren Flüssiggaspreise finanziell abgefedert werden – die hohen Energiekosten setzen die Gesellschaft bereits jetzt unter Druck – ist wiederum eine andere Frage.

SRF 4 News, 02.11.2022, 09:00 Uhr

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