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Dünne Personaldecke Absenzen setzen der Wirtschaft zu

Mehr als neun Tage im Jahr fehlen Mitarbeitende krankheits- oder unfallbedingt am Arbeitsplatz – immer öfter psychisch bedingt. Die Kosten für die Wirtschaft gehen in die Milliardenhöhe.

Die Entwicklung: 9.3 Tage fielen Vollzeitmitarbeitende im Jahr 2022 durchschnittlich wegen Krankheit oder Unfall aus. Eine Zahl, die in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Besonders auffällig: Die 15- bis 24-Jährigen sind mit 10.4 Tagen am stärksten betroffen. Gegenüber 2019 haben krankheits- und unfallbedingte Absenzen bei dieser Altersgruppe um 60 Prozent zugenommen. Die Entwicklung zeigt generationenübergreifend nach oben. Mit einer Ausnahme: Bei der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen ist die Dauer der Absenzen stabil.

Die Kosten: Grossmehrheitlich sind Schweizer Unternehmen mit einer Krankentaggeldversicherung gegen das Risiko von Absenzen abgesichert. Doch die Prämien dafür haben sich in den letzten Jahren im Zuge der gestiegenen Schadenfälle deutlich verteuert. Mittlerweile geben Firmen insgesamt knapp fünf Milliarden Franken für Krankentaggeldversicherungen aus. Darüber hinaus fallen nicht bezifferbare Kosten für die Rekrutierung und Einarbeitung von temporären Mitarbeitenden an.

Das Beispiel: Bei der Firma «Stamm Bau» in Arlesheim/BL fallen Mitarbeitende im Durchschnitt 14 Tage pro Jahr aus – also nochmals deutlich mehr als im Schweizer Durchschnitt. Die Kosten dafür betragen laut der Firma zwischen vier und fünf Prozent des Umsatzes. Zum Vergleich: Die Baubranche erwirtschaftet in der Regel zwischen zwei und drei Prozent Reingewinn.

Die Gründe: Aktuelle Zahlen der grössten Krankentaggeldversicherung Swica zeigen, dass die Entwicklung wohl besonders mit zunehmenden Langzeitausfällen zu erklären ist. In den letzten fünf Jahren verzeichnete die Swica 36 Prozent mehr Fälle, bei denen psychische Belastung als Diagnose vorlag. Bei mehr als der Hälfte dieser Fälle gaben Arbeitnehmende Konflikte am Arbeitsplatz als einen der Gründe für ihr Krankheitsbild an.

Das sagen die Gewerkschaften: Luca Cirigliano, Zentralsekretär beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, gibt den Arbeitgebern die Verantwortung für die gestiegenen Absenzen. Denn diese würden verlangen, dass Mitarbeitende «ständig erreichbar» seien – auch am Wochenende. «Man erholt sich nicht mehr, man verliert die sozialen Kontakte.» Cirigliano spricht gar von einer «Burnout-Epidemie». Das betreffe besonders die Jungen: «Man sagt dem in der Wissenschaft interessierte Selbstgefährdung.»

Das sagt der Arbeitgeberverband: Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt beim Schweizerischen Arbeitgeberverband, wehrt sich gegen die Kritik der Gewerkschaften: «Burnouts haben verschiedene Gründe, auch Privates spielt eine Rolle.» Einzig den Arbeitgebern die Schuld zuzuschieben, ist aus ihrer Sicht falsch. Einen Lösungsansatz sieht Lützelschwab in flexibleren Arbeitsmodellen. Die Firmen müssten wegen der Ausfälle und der Kosten, die daraus entstünden, im eigenen Interesse handeln und die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf erleichtern.

10 vor 10, 29.12.2023, 21:50 Uhr

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