Zum Inhalt springen

Stress am Arbeitsplatz Hunderttausende in der Schweiz sind Burnout-gefährdet

Eine neue Umfrage der SRG zeigt aber auch, dass Erwerbstätige hierzulande belastbarer sind als anderswo.

Sie fühlen sich leer, antriebslos und sind nicht mehr leistungsfähig – Menschen, die an einem Burnout leiden. Burnout ist zwar keine offizielle medizinische Diagnose, aber ein in der Schweiz weit verbreitetes Leiden, das zeigt die neue Umfrage in aller Deutlichkeit: 17 Prozent der Erwachsenen haben ein Burnout erlebt, und 25 Prozent der Erwerbstätigen haben das Gefühl, wegen der Arbeit Burnout-gefährdet zu sein.

Grosse Umfrage: «Schweiz, wie gehts?»

Box aufklappen Box zuklappen

Die SRG wollte in diesem Wahljahr herausfinden, wie es der Bevölkerung in der Schweiz und den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland geht und was sie besonders beschäftigt. Dafür hat sie das Forschungsinstitut GFS Bern mit einer der grössten Meinungsumfragen beauftragt, die es in diesem Land je gegeben hat. Über 57'000 Personen haben im April und Mai dieses Jahres daran teilgenommen.

Regina Jensen von Gesundheitsförderung Schweiz sagt, dass das nachdenklich stimmen sollte: «Burnouts verursachen viel Leid für die betroffenen Personen und für deren Umfeld.»

Was ist ein Burnout?

Box aufklappen Box zuklappen

Das Risiko für ein Burnout steigt, wenn eine Person über längere Zeit überlastet ist. Das heisst, wenn sie nicht genug Ressourcen hat, um den Stress zu kompensieren und sich zu erholen, kommt sie aus dem Gleichgewicht.

Ein Burnout hat dann in der Regel drei Komponenten:

(1) Emotionale Erschöpfung: Das ist das Gefühl überbeansprucht, ausgelaugt zu sein, keine Energie mehr zu haben und sich nach der Arbeit nicht mehr erholen zu können.

(2) Verminderte Leistungsfähigkeit: Menschen, die an einem Burnout leiden, können sich häufig nicht mehr konzentrieren, sind fahrig, machen Fehler.

(3) Innere Abgrenzung: Die Betroffenen distanzieren sich von der Arbeit und den Arbeitskolleginnen und -kollegen, sind nicht mehr voll dabei und wirken abgestumpft. Ein Schutzmechanismus, der einsetzt, um mit der Überlastung fertig zu werden.

Burnout ist nicht als Krankheit klassifiziert, es gibt darum keine abschliessende Definition.

Teures Leiden

Zudem kostet die Überlastung die Arbeitgebenden jährlich rund 6.5 Milliarden Franken, weil Arbeitskräfte ausfallen oder weniger produktiv sind. Das hat sie zusammen mit Kolleginnen der Uni Bern und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften errechnet . Die Studie zeigt auch, dass immer mehr Erwerbstätige emotional erschöpft sind, sich also überbeansprucht und ausgelaugt fühlen. Heisst: Immer mehr Erwerbstätige laufen Gefahr, in ein Burnout zu geraten.

Aber wieso fühlen sich immer mehr Erwerbstätige ausgebrannt? Jensen nennt die höhere Arbeitsintensität und die ständige Erreichbarkeit. Dazu komme aber auch, dass heute mehr Arbeitnehmende krankheitshalber ausfallen und an vielen Orten sowieso Fachkräfte fehlten, beides erhöhe den Druck auf die übrigen Arbeitnehmenden.

Wenn ich mit Kriegen, Naturkatastrophen und Pandemien konfrontiert bin, fehlen mir an anderer Stelle Bewältigungsmöglichkeiten, um mit Belastungen bei der Arbeit umzugehen.
Autor: Regina Jensen Arbeitspsychologin bei Gesundheitsförderung Schweiz

Der gesellschaftliche Kontext spiele auch eine Rolle, sagt die Psychologin: «Wenn ich mit Kriegen, Naturkatastrophen und Pandemien konfrontiert bin, fehlen mir an anderer Stelle Bewältigungsmöglichkeiten, um mit Belastungen bei der Arbeit umzugehen.»

Junge Frauen besonders stark gefährdet

Nicht alle sind gleich stark gefährdet: Jüngere Erwerbstätige haben tendenziell weniger Ressourcen, um Belastungen aufzufangen als ältere, Frauen weniger als Männer.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass junge Erwachsene und insbesondere junge Frauen rund um die Familiengründung sowieso stark belastet sind, das macht sie anfälliger. Zudem erleiden Personen mit tiefen Einkommen häufiger ein Burnout als jene mit hohen Einkommen.

Erwerbstätige in der Schweiz belastbarer

Auch in anderen europäischen Ländern sind viele Arbeitskräfte erschöpft. In der Schweiz arbeiten wir aber besonders viel – und das bei besonders hohem Tempo und Druck, das zeigt eine europaweite Untersuchung. Sie zeigt aber auch, dass Erwerbstätige in der Schweiz gut mit der Belastung umgehen können.

Der Lohn ist in der Schweiz hoch, weil die Produktivität hoch ist, aber die Belastung ist natürlich auch entsprechend.
Autor: Boris Zürcher Seco

Boris Zürcher vom Staatsekretariat für Wirtschaft Seco erklärt, man könne die Arbeitsbedingungen nicht isoliert betrachten, sondern nur das gesamte Paket: «Der Lohn ist in der Schweiz hoch, weil die Produktivität hoch ist, aber die Belastung ist natürlich auch entsprechend.»

Gleichzeitig zeigt die Studie auch, dass die Erwerbstätigen in der Schweiz die Belastungen besser bewältigen könnten als der europäische Durchschnitt. Erstere finden ihre Arbeit häufiger sinnvoll, haben eher das Gefühl, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einsetzen zu können, und vor allem sind sie mit der Bezahlung sehr zufrieden.

Regina Jensen gibt aber zu bedenken, dass auch in dieser europäischen Befragung ein Viertel angibt, überlastet zu sein: «Wenn wir uns bewusst machen, was diese Überlastung auch langfristig für die Gesundheit der Betroffenen bedeutet, müssen wir handeln.» Auch wenn wir besser abschneiden als andere Länder in Europa.

Info3, 19.10.2023, 17 Uhr

Meistgelesene Artikel