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Vergewaltigungen auf den andalusischen Erdbeerfeldern
Aus SRF 4 News aktuell vom 18.06.2018.
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Erntehelferinnen aus Marokko Der bittere Nachgeschmack der süssen Erdbeeren aus Spanien

Erdbeeren sind ein Genuss. Es sei denn, die Frauen, die sie geerntet haben, wurden von ihren Chefs vergewaltigt.

Darum geht es: In vielen spanischen Städten fanden am vergangenen Wochenende erneut Demonstrationen gegen Gewalt an Erntehelferinnen im Süden Spaniens statt. Nach der Veröffentlichung einer grossangelegten Recherche des Portals «Buzzfeed Deutschland» fanden bereits vor einigen Wochen erste Kundgebungen gegen die Gewalt statt, die bis anhin kaum öffentlich thematisiert wurde. Laut der spanischen Zeitung «El Mundo» haben Anfang Juni vier Frauen ihre Vorgesetzten wegen sexualisierter Gewalt angezeigt.

Der Hintergrund: Die Recherche von «Buzzfeed» hat ergeben, dass ein hoher Prozentsatz der Frauen, die auf einer Farm Tomaten oder Erdbeeren pflücken, sexuell missbraucht oder vergewaltigt werden. Täter sind meistens die Arbeitgeber.

Betroffene Arbeiterinnen: Die meisten Frauen, die in Huelva Beeren pflücken, stammen aus Marokko. «Die Frauen verlassen ihre Heimat und gehen davon aus, dass sie in Europa eine bessere Situation erwartet», sagt Pascale Müller. Müller ist eine der zwei Investigativjournalistinnen, die die Missstände aufgedeckt haben. «Die Frauen erleben dann Gewalt, Erpressung, teilweise auch Arbeitsentzug bei Fehlverhalten. Das ist für sie sehr schockierend.»

Sklaverei? In der Recherche der beiden Frauen kommt José Antonio Brazo Regalado, Vertreter der Gewerkschaft Sindicato Andaluz de Trabajadores (SAT) zu Wort. Er nennt das Arbeitsverhältnis, in das die Frauen eingebunden sind, schlicht «Sklaverei».

Erdbeeren, Nahhaufnahme
Legende: Erdbeeren aus Huelva: Wie viel Gewalt steckt dahinter? Keystone

Wieso melden sich die Frauen nicht bei der Polizei? Die meisten sprächen nicht spanisch, sagt die Journalistin. Der sexuelle Missbrauch oder die Vergewaltigung sind schwer zu beweisen. «Die Frauen wollen nach Spanien arbeiten gehen, weil sie dort mehr verdienen als in Marokko. Sie wollen das Geld nach Hause schicken und ihre Familie damit unterstützen.» Sie seien deshalb stark auf ihren Arbeitgeber angewiesen.

Einzelfall-Theorie: «Es sind keine Einzelfälle. Wir waren zwei Reporterinnen und uns haben unheimlich viele Frauen von Übergriffen erzählt», sagt Müller. Wenn eine NGO eine systematische Recherche machen würde, käme sie noch auf ganz andere Zahlen, meint Müller.

Abtreibungen: In Palos de la Frontera, wo sich das Spital der Region befindet, ist die Abtreibungsrate hoch. Im Jahr 2016 seien 185 Abtreibungen vorgenommen worden, 90 Prozent seien von Gastarbeiterinnen verlangt worden, sagt Josefa Mora Gomez, Sozialarbeiterin in einem Gesundheitszentrum in Huelva. Sie muss jeden Antrag auf Abtreibung genehmigen. Sie geht davon aus, dass viele Frauen nach Vergewaltigungen durch die Arbeitgeber schwanger geworden sind.

Was geht mich das an? Aus Huelva stammt ein grosser Prozentsatz der auch in der Schweiz bei Grossverteilen verkauften Erdbeeren, anderen Beeren und Tomaten.

Die Zertifikationsstelle schaut weg: Die Erdbeeren sind zertifiziert. Doch die Rolle des deutschen Unternehmens Global GAP, dessen Label die Beeren tragen, beschränke sich darauf, Standards und Richtlinien festzulegen, wie es auf eine Anfrage von Buzzfeed schreibt. Für die Zertifizierung zuständig seien die anerkannten und unabhängigen Zertifizierungsstellen. Und: «Das Siegel «safe and sustainable» (dt. «sicher und nachhaltig») beziehe sich auf die Produkte, nicht auf die Produzenten.

Offizielle Untersuchung: Laut einem Bericht des französischen Webportals «Kiosk360» ist Ende Mai eine marokkanisch-spanische Kommission ins Leben gerufen worden. Diese Kommission untersuche die Zustände nun.

Die lokalen Behörden vor Ort und die Erdbeerproduzenten haben ihrerseits einen Aktionsplan gestartet, um die Situation der Arbeiterinnen zu verbessern.

Huelva erneut in der Kritik: Die Erdbeerfarmen von Huelva in Südspanien standen immer wieder in der Kritik und zwar, weil auf den Feldern so viel Wasser verbraucht wurde, dass das Ökosystem des Nationalparks Doñana an der Costa de la Luz in Andalusien bedroht war. Die EU-Kommission hat Spanien deswegen 2017 ein Ultimatum gesetzt. Entweder schütze das Land die Naturlandschaft besser oder müsse sich vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten.

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