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EU-Rahmenabkommen Der Schweizer Lohnschutz – manchmal nur eine lästige Routine

Die EU will möglichst freien Zugang zum Schweizer Markt. Doch wie hoch sind die Hürden? Ein Besuch bei einer Manufaktur.

Eine junge Frau schraubt alte Fenster auseinander. Sie untersucht die Rahmen, die Gläser, den Kitt und notiert, welcher Fensterteil wie restauriert werden muss. Die verschiedenen Stücke schickt sie auf je eigenen Wegen durch die Schreinerei.

Die Fenster gehören zu einer Zürcher Schule. In der Holzmanufaktur im deutschen Rottweil verarbeiten die Schreiner die alten Scheiben zu Minergiegläsern. Das sei in der Schweiz sehr beliebt, sagt Hermann Klos, einer der Geschäftsführer der Firma. «Viele Schweizer Bauherren macht das glücklich: alte Optik und trotzdem Minergiestandard.»

Diese Fensterscheiben werden restauriert. Sie stehen auf einem Wagen. In der Schreinerei.
Legende: Diese Fensterscheiben werden restauriert. SRF

Das sei eine Spezialität der Schreinerei. Und für diese Qualität seien die Bauherren auch bereit, zu bezahlen. «Wir arbeiten in der Schweiz, weil bei Aufträgen eine hohe Qualität gewünscht, gefordert und aber auch bezahlt wird», so Klos.

Viel Erfahrung mit der Schweiz

Rund 30 Prozent ihres Umsatzes erzielt die deutsche Firma in der Schweiz. Das sei auch naheliegend, Zürich liege schliesslich nur eineinhalb Autostunden von Rottweil entfernt.

Der Schweizer Lohnschutz ist dabei Teil der täglichen Arbeit. «Wir gehen da mit einer gewissen Routine ran», sagt Klos. «Das ist zwar etwas lästig, aber gehört dazu.» Auch in der EU müssten sie gleiche Löhne für gleiche Arbeit am gleichen Ort bezahlen, das nachzuweisen sei überall aufwendig.

Für die professionelle Routine zuständig ist Iris Lehmann. Sie meldet die Mitarbeitenden für die Arbeit in der Schweiz acht Tage vorher an. Die Monteure, die sie in die Schweiz schickt, verdienen pro Monat zwischen 600 und 800 Euro mehr als wenn sie in Deutschland gearbeitet hätten.

Die Manufaktur zählt fast 100 Mitarbeitende, einige davon hier an der Arbeit.
Legende: Die Manufaktur zählt fast 100 Mitarbeitende, einige davon hier an der Arbeit. SRF

Für die Firma ist es ein Mehraufwand. Lehmann rechnet pro Monat mit etwa drei Arbeitstagen für Planung, Durchführung und Abrechnungen der Arbeiten in der Schweiz. Das funktioniere aber ziemlich gut. Lehmann: «Aufwendig wird es vor allem, wenn ein Mitarbeiter krank ist und kurzfristig ein anderer gemeldet werden muss.»

Die Arbeitskontrollen sind zum Teil sehr umfangreich.
Autor: Iris Lehmann Personalverantwortliche Holzmanufaktur Rottweil

Dann zückt sie einen Bundesordner. «Die Arbeitskontrollen sind zum Teil sehr umfangreich», sagt Lehmann. Und nicht in jedem Kanton werde dasselbe gefordert, das mache es zum Teil schwierig.

Lohnschutz ein Kostenfaktor mehr nicht

Weil der administrative Prozess aufwendig ist, rechnet die Holzmanufaktur Rottweil mit schweizspezifischen Kosten. Nicht nur für die Administration, sondern auch für die Löhne, die Unterbringung der Mitarbeitenden, die Verzollung der Ware.

Insgesamt sei die Arbeit in der Schweiz rund 20 Prozent teurer, sagt Hermann Klos. «Für uns ist das kein Problem, weil wir gute Qualität für gutes Geld machen.» Mit fast 100 Mitarbeitenden ist die Firma aber auch relativ gross.

Wenn ich nur zwei-, dreimal im Jahr in die Schweiz gehe, dann steht der administrative Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag.
Autor: Hermann Klos Co-Geschäftsführer Holzmanufaktur Rottweil

Für Kleinbetriebe sei es schwieriger, sagt Klos. «Wenn ich nur zwei-, dreimal im Jahr in die Schweiz gehe, dann steht der administrative Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag.» Er kenne viele Betriebe nahe der Grenze, die einmal in der Schweiz tätig waren und dann nie wieder.

Seine Schreinerei sei spezialisiert und könne im Vergleich zur Konkurrenz auch grosse Aufträge in kurzer Zeit ausführen. Gerade bei älteren Gebäuden, die rege genutzt werden, sei das ein klarer Wettbewerbsvorteil. Das könnte auch erklären, wie die Zürcher Schulhausfenster in Rottweil gelandet sind.

Ein Teil der über 300 Fenster wartet bereits zusammengeschraubt und aufgereiht beim Warenausgang. Am Montagmorgen geht es zurück in die Schweiz.

Echo der Zeit, 15.03.2023, 18:00 Uhr

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