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Ex-Raiffeisen Chef vor Gericht Pierin Vincenz: Schattenbeteiligungen und Spesen in Stripclubs

Am kommenden Dienstag beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, seinen Berater Beat Stocker und fünf weitere Beschuldigte. Wegen des riesigen Interesses wird die Verhandlung des Zürcher Bezirksgerichts im Zürcher Volkshaus stattfinden.

Pierin Vincenz, ehemaliger Chef von Raiffeisen Schweiz und sein Berater Beat Stocker: Sie und fünf weitere Beschuldigte müssen sich ab dem 25. Januar vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Pierin Vincenz und Beat Stocker Betrug, untreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung, Veruntreuung und weitere Delikte vor.

Pierin Vincenz
Legende: Pierin Vincenz Von 1999 bis 2015 war Pierin Vincenz CEO der Raiffeisen Schweiz. 2017 begann die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen ihn zu ermitteln, 2018 sass er über drei Monate in Untersuchungshaft. Jetzt muss sich der 65-Jährige vor Gericht verantworten. Paolo Dutto/13 Photo

2017 begann die Zürcher Staatsanwaltschaft zu ermitteln, 2018 kamen Pierin Vincenz und Beat Stocker für mehr als drei Monate in Untersuchungshaft.

Verdeckte Beteiligungen

Bei verschiedenen Firmenübernahmen von Raiffeisen und anderen Firmen, bei denen Pierin Vincenz und Beat Stocker in der Verantwortung standen, waren sie laut Anklage verdeckt beteiligt. Durch diese Schattenbeteiligungen bereicherten sie sich mutmasslich selbst – zum Schaden der jeweiligen Unternehmen.

Der Fall Commtrain – Aduno

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2005 lassen Pierin Vincenz und Beat Stocker die Beteiligungsgesellschaft iFM gründen. Im gleichen Jahr investieren Pierin Vincenz und Beat Stocker über diese Gesellschaft in den Terminalsercice-Provider Commtrain. Pierin Vincenz und Beat Stocker besitzen über die iFM zusammen 60 Prozent der Commtrain. 2006 wird Commtrain von der Kreditkartenfirma Aduno gekauft.

CEO von Aduno ist Beat Stocker, VR-Präsident Pierin Vincenz. Beat Stocker und Pierin Vincenz sitzen also aufgrund ihrer Beteiligungen auf beiden Seiten des Verhandlungstischs. Das wissen die anderen Verwaltungsräte von Aduno nicht, da die iFM ihre Investoren nicht offenlegt. Beat Stocker und Pierin Vincenz verdienen mit der Transaktion rund 2.7 Mio. Franken.
Laut Anklage zum Schaden von Aduno.

Die emeritierte Professorin für Finanzrecht, Monika Roth, hat für SRF die 364 Seiten umfassende Anklageschrift analysiert. Im Besonderen die beiden zentralen Fälle der Anklageschrift: Commtrain - Aduno und Investnet - Raiffeisen.

Betrug oder untreue Geschäftsbesorgung?

Das Verhalten der beiden Hauptangeklagten beurteilt die Compliance-Expertin kritisch: «Es ist eine Untreue gegenüber dem jeweiligen Unternehmen, also auf beiden Seiten.»

Vom Sachverhalt her sieht es nicht gut aus für die Beschuldigten.
Autor: Monika Roth Emeritierte Professorin für Finanzrecht

«Hier bin ich der Ansicht, das dies strafrechtlich relevant ist. Das Gericht wird zu prüfen haben: Ist es Betrug gewesen? Ist es eine untreue Geschäftsbesorgung? Aber vom Sachverhalt her sieht es nicht gut aus für die Beschuldigten», erläutert Monika Roth weiter.

Der Fall Investnet -Raiffeisen

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2011 gehen PW und AE von der Firma Investnet, die KMU-Beteiligungen vermittelt, auf Raiffeisen zu: Sie suchen einen Kapitalgeber. Pierin Vincenz bestimmt seinen Berater Beat Stocker als Verhandlungsführer für Raiffeisen. Pierin Vincenz und Beat Stocker bringen gegenüber PW und AE zum Ausdruck, dass sie sich auch privat beteiligen möchten.

2012 beteiligt sich Beat Stocker mit 13.3 Prozent an Investnet – im Einverständnis von Pierin Vincenz, aber ohne Wissen der anderen Verhandlungsteilnehmer von Raiffeisen. Laut Anklageschrift hat Pierin Vincenz eine hälftige Unterbeteiligung.

2012 beteiligt sich Raiffeisen zu 60 Prozent an Investnet. 2015 übernimmt Raiffeisen 100 Prozent der Aktien. Durch ihre versteckten Beteiligungen verdienen laut Anklage Pierin Vincenz 3.7 Mio. Franken und Beat Stocker 8.9 Mio. Franken - zum Schaden der Raiffeisen.

Sechs Jahre Freiheitsstrafe gefordert

Pierin Vincenz und Beat Stocker: Die Staatsanwaltschaft fordert je sechs Jahre Freiheitsstrafe. Beat Stocker soll 16 Millionen Franken zurückzahlen, Pierin Vincenz 9 Millionen.

Beat Stocker
Legende: Beat Stocker Der 62-jährige Unternehmensberater muss sich zusammen mit Pierin Vincenz und fünf weiteren Beschuldigten vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. Auch Beat Stocker sass 2018 mehr als drei Monate in Untersuchungshaft. Gerry Nitsch/13 Photo

Monika Roth: «Der Vorwurf ist ja eigentlich der, dass sich Herr Vincenz und Herr Stocker durch eigene Investments zusammen in Situationen von Interessenkonflikten begeben haben, die dann die Entscheidungs-Prozesse auch beeinflusst haben. Zum Teil, so wird es geschildert, massiv - Herr Vincenz in der Bank beispielsweise. Und dann haben sie Gewinne realisiert, die nur möglich waren, weil sie eben involviert waren als Organ von der Aduno, beziehungsweise Raiffeisen.»

Spesen zulasten von Raiffeisen

Die Anklage wirft Pierin Vincenz auch Spesen in der Höhe von über 560'000 Franken zum Nachteil von Raiffeisen vor. Mehr als 200'000 Franken davon gab er laut Anklage in Cabarets, Stripclubs und Kontaktbars aus. Im Zusammenhang mit Reisen mit der Familie und Freunden zu Erholungs- und Vergnügungszwecken soll er Raiffeisen mit Flügen, Unterkünften und Verpflegung mit rund 251'000 Franken belastet haben. Auch private Anwaltskosten liess sich Pierin Vincenz laut Anklage von Raiffeisen bezahlen.

Monika Roth: «Als allgemeine Tatsache kann man sagen: Es war sicher nicht im Interesse von Raiffeisen, dass Herr Vincenz Striplokale besucht hat. Es war auch nicht im Interesse von Raiffeisen, dass er private Reisen mit Familie und Freunden gemacht hat. Da wird mutmasslich etwas hängen bleiben.»

Angeklagte äussern sich nicht gegenüber SRF

Pierin Vincenz und Beat Stocker: Gegenüber SRF äussern sie und ihre Anwälte sich nicht vor dem Prozess. An anderer Stelle haben sie die Vorwürfe zurückgewiesen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Prozess-Vorschauen in TS, 23.1.2022, und 10vor10, 21.1.2022

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