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Exportstopp Wie Russland Öl als geopolitische Waffe gegen den Westen einsetzt

Durch den Exportstopp profitieren vor allem Russland und China, Länder wie die Schweiz könnten darunter leiden.

Russland hat vor einigen Tagen – lediglich vorübergehend, wie es heisst – die Ausfuhr von Benzin und Diesel ins Ausland verboten. Die Regierung wolle damit die inländische Versorgung sichern und den Preisauftrieb in Russland dämpfen, erklärt Moskau.

Exportstopp lässt aufhorchen

Westliche Abnehmer wie die EU versorgen sich heute kaum noch direkt mit Öl aus Russland. Das ist eine Folge des Embargos auf russischem Öl wegen des Ukrainekriegs. Auch die Preisobergrenze der EU für russisches Öl trägt dazu bei, dass ein Grossteil der russischen Produktion in Länder wie China und Indien fliesst. Dort wird das Öl in Raffinerien verarbeitet. Dann gelangt es auf den Weltmarkt, etwa in Form von Diesel für Schiffe und Lastwagen.

Wenn Russland militärisch unter Druck kommt oder sich politisch etwas davon verspricht, wird das Land den Ölhahn abdrehen.
Autor: Christof Rühl Energieexperte

Vor diesem Hintergrund lasse Moskaus Exportstopp aufhorchen, sagt Energieexperte Christof Rühl. «Experten haben sich bereits lange gewundert, dass in China trotz einer zurückgehenden Wirtschaft die Nachfrage nach Rohölexporten gestiegen ist.»

Russland und China profitieren

Nun gebe es eine Erklärung dafür, dass China so viel Öl einkauft, meint Christof Rühl, der an der Columbia University in New York lehrt. «Die Vermutung ist, dass die Chinesen dieses Röhöl kaufen, um es zu raffinieren und als Produkte zu reexportieren, unter anderem nach Europa.»

Ich denke, dass es von russischer Seite eine Fingerübung ist, um den Markt zu testen.
Autor: Christof Rühl Energieexperte

Durch den Exportstopp für die verarbeiteten Produkte stelle Russland nun noch mehr Rohöl für den direkten Verkauf an China bereit. Das stecke hinter Moskaus Entscheid, nicht die Sorge um die inländische Versorgung. Beide Seiten, also Russland als Ölexporteurin und die Grossabnehmerin China, könnten davon profitieren.

«Die Chinesen haben aufgrund des billigen Preises des Rohöls eine höhere Marge und machen mehr Geld. Die Russen können ihr Rohöl zu höheren Preisen verkaufen, weil sie mehr davon verkaufen können. Ich denke, dass es von russischer Seite eine Fingerübung ist, um den Markt zu testen.»

Öl-Anlage.
Legende: Eine russische Ölförderungsanlage in Almetyevsk. Reuters/Alexander Manzyuk

Stellt man die jüngste Massnahme Moskaus in diesen Zusammenhang, wird klar: Die Risiken aus westlicher Sicht sind beträchtlich. Das russische Regime von Präsident Wladimir Putin könnte versuchen, den Westen ernsthaft in Bedrängnis zu bringen, indem es das Angebot von russischem Öl und von Ölprodukten auf dem Weltmarkt noch viel stärker einschränkt als bislang. «Man sollte sich keiner Illusion hingeben: Wenn Russland militärisch unter Druck kommt oder sich politisch etwas davon verspricht, wird das Land den Ölhahn zudrehen.»

Westen könnte Folgen zu spüren bekommen

Diese Gefahr erkläre auch, warum die globalen Ölmärkte empfindlich reagiert haben auf die Nachricht von Putins vorläufigem Exportstopp für Diesel und Benzin. Der Markt ist seit dem Sommer zunehmend angespannt, betont Experte Rühl. Nicht nur Rohöl, auch Benzin und Diesel haben sich bereits merklich verteuert.

Tankstelle.
Legende: Bekommt der Westen im bevorstehenden Winterhalbjahr den russischen Exportstopp auf Benzin und Diesel zu spüren? (Im Bild eine Tankstelle in Genf.) Keystone/Martial Trezzini

Wenn nun Russland noch viel rücksichtsloser das Öl als geopolitische Waffe einsetzen sollte, könnte das der Westen im bevorstehenden Winterhalbjahr zu spüren bekommen. Stark steigende Ölpreise könnten die Konjunktur abwürgen, sie würden auch die Bekämpfung der Inflation durch die Notenbanken erschweren, um nur zwei drohende Schwierigkeiten zu nennen.

Echo der Zeit, 25.09.2023, 18:00 Uhr

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