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Strengere Gesetze für Facebook?
Aus Echo der Zeit vom 11.04.2018. Bild: Keystone
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Facebook an die Leine? Eine Regulierung birgt auch Risiken

Die USA wollen Facebook an die kürzere Leine nehmen. Bereits weiter fortgeschritten ist die Diskussion in Europa: In der EU tritt bald eine neue Datenschutzverordnung in Kraft.

Diese könnte die Innovation der ganzen Branche bremsen, erklärt Florent Thouvenin im Gespräch. Er ist Professor für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich.

Florent Thouvenin

Florent Thouvenin

Professor, Uni Zürich

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Florent Thouvenin ist Professor für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich. Er befasst sich mit dem Spannungsfeld von Big Data und Datenschutzrecht.

SRF News: Braucht es auch bei uns neue Gesetze, um Facebook zu zügeln?

Florent Thouvenin: Nein. Das Geschäftsmodell von Facebook beruht auf der Verarbeitung von personenbezogenen Daten – wenn auch im ganz grossen Stil. In der Schweiz ist das seit Jahren umfassend im Datenschutzgesetz geregelt, in Europa tritt im Mai die neue Datenschutzverordnung in Kraft. Die rechtlichen Vorgaben sind also vorhanden. Doch es hapert an der Umsetzung der Gesetze – und möglicherweise an den Vorgaben selbst. Vielleicht sind die Konzepte, wie wir mit dem Problem bisher umgegangen sind, nicht wirklich passend.

Jeder muss wissen, was mit seinen Daten wirklich geschieht.

Wie könnten andere Konzepte aussehen?

Das ist nicht so leicht zu beantworten. Soziale Medien funktionieren grundsätzlich so, dass die betroffenen Personen einwilligen, dass ihre Daten genutzt werden – etwa, um ihnen interessante Angebote anzuzeigen. Weil sich die Leute aber bloss beschränkt informieren, funktioniert das System der Einwilligung nicht. Wer liest schon Privacy Policies, wo geschrieben steht, was mit den Daten gemacht wird? Und selbst wenn man sie liest, versteht man sie nicht. Denn sie sind – natürlich nicht unabsichtlich – sehr ungenau formuliert. Hier müsste man ansetzen: Der Bürger braucht Transparenz, er muss wissen, was mit seinen Daten wirklich geschieht.

Heutzutage hat man den Eindruck, dass das Gesetz der Entwicklung im Tech-Bereich stets hinterher hinkt. Sind die beiden nur schwer vereinbaren Geschwindigkeiten überhaupt kompatibel?

Wenn wir als Gesellschaft Innovation wollen, braucht dies Raum. Der ist nur dann vorhanden, wenn nicht alles schon von Anfang an reguliert ist. Auch können wir kaum voraussehen, in welche Richtung eine Entwicklung geht. Sie geht nicht nur sehr rasch, sondern folgt auch einem Pfad. Angesichts der Langsamkeit unserer demokratischen Prozesse wird klar, dass das Recht immer nur reagieren kann.

Eine innovative Gesellschaft braucht Raum.

Diese zeitliche Verzögerung ist allerdings nicht immer nachteilig. Sie lässt auch Zeit, genau zu überlegen, welche Regelungen in einem bestimmten Bereich sinnvoll sind. In der Frage Facebook ist die Situation nochmals anders, weil wir mit dem Datenschutzgesetz eigentlich eine Regelung haben, die dieses Geschäftsmodell erfassen kann und sollte. Die Regelung ist allerdings überholt und so allgemein formuliert, dass wir nicht jene Effekte erzielen können, die wir möchten.

Wie schätzen Sie die Selbstregulierung der Branche ein?

Ich bin eher skeptisch. Selbstregulierung kann zwar funktionieren – aber im fraglichen Bereich, wo sich eine Branche sehr schnell bewegt und bloss einige grosse Player die Standards setzen, läuft das eher auf eine Art Feigenblatt-Regulierung hinaus. Es entsteht so kaum ein Instrument, das tatsächlich eine Wirkung entfaltet. Die Datenschutzgrundverordnung der EU zeigt deutlich: Weil sie sehr einschneidende Sanktionen vorsieht, wird sie von Facebook, Google und Co. ernst genommen. So etwas schafft eine Selbstregulierung kaum jemals.

Europa könnte im digitalen Bereich noch weiter hinter die USA und China zurückfallen.

Könnte die europäische Datenschutzverordnung deshalb die Innovation abwürgen?

Diese Gefahr ist relativ gross. Das hehre Ziel hinter der Datenschutzverordnung ist es, die Persönlichkeit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der EU-Bürger zu schützen. Dafür nimmt man in Kauf, dass viele Nutzungsmöglichkeiten von Personendaten, die für die Gesellschaft durchaus von Nutzen sind, erschwert oder sogar verunmöglicht werden. Dieser Umstand ist mit dem Risiko verbunden, dass Europa im Bereich digitaler unternehmerischer Tätigkeit noch weiter hinter die USA und China zurückfallen wird.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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