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Fall Eternit in Italien Italienisches Obergericht annulliert Urteil gegen Schmidheiny

  • Das oberste italienische Gericht hat eine Verurteilung gegen den Schweizer Industriellen Stephan Schmidheiny in einem Asbest-Prozess erneut aufgehoben, wie mehrere Medien berichten.
  • Bei dem Prozess ging es um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung.
  • Dabei ging es um einen ehemaligen Mitarbeiter einer Eternit-Fabrik im italienischen Cavagnolo.

Der Mann war 2008 im Alter von 82 Jahren gestorben, nachdem er laut Anklage 27 Jahre lang Asbest ausgesetzt gewesen war.

Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten

Das Kassationsgericht hob die Verurteilung mit Urteil vom Freitag wegen Mangels an Beweisen bereits zum zweiten Mal wieder auf, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet. Ein drittes Verfahren dürfte kaum möglich sein, weil der Fall am 25. April definitiv verjährt, wie die Verteidigung argumentierte.

Klägerseite kritisiert Gerichtsentscheid

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Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die anderen Eternit-Prozesse haben, sagte Ezio Bonanni, Vorsitzender der Nationalen Asbestbeobachtungsstelle und Anwalt der Familie des Opfers, der am Samstag von der Nachrichtenagentur Ansa zitiert wurde. Es bestehe die Gefahr, dass alles von der Verjährung betroffen sein könnte.

«Wir können die Entscheidung des Gerichts weder verstehen noch teilen, aber unser Engagement wird in allen zuständigen Gremien fortgesetzt, für die Wiedergutmachung, die Sicherheit, den medizinischen Schutz und die Entschädigung aller Opfer und ihrer Angehörigen», erklärte er.

Ein Turiner Gericht hatte Schmidheiny in diesem Verfahren ursprünglich zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt. Nach der Kassation dieses Schuldspruchs hatte das Turiner Appellationsgericht das Strafmass im Dezember 2024 noch auf eine bedingte Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten reduziert.

Jahrzehntealter Fall Eternit in Italien

Schmidheiny sieht sich in Italien seit über 20 Jahren mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert. Die Verfahren betreffen den Zeitraum von 1976 bis 1986, als die schweizerische Eternit-Gruppe der Familie Schmidheiny Mehrheitsaktionärin der italienischen Eternit SpA war. In diesem Zeitraum war die Asbestverarbeitung verbreitet. Sie wurde in Italien erst 1992 verboten, sechs Jahre nachdem die Eternit SpA die Produktion eingestellt hatte und zehn Jahre, nachdem die Fabrik in Cavagnolo geschlossen worden war.

Gruppe von Menschen mit italienischen Flaggen und Schildern, die für Gerechtigkeit protestieren.
Legende: Der ehemaligen Eternit-Unternehmer Stephan Schmidheiny war in Italien schon mit mehreren Verfahren wegen Asbest-Fällen in Eternit-Werken konfrontiert. Keystone

Die Staatsanwaltschaft behaupte seit Anbeginn, der damals 28-jährige Stephan Schmidheiny habe in den Eternit-Fabriken aus skrupelloser Profitgier Sicherheitsmassnahmen unterlassen und dadurch Arbeiter und Anwohner von ehemaligen Eternit-Fabriken getötet, heisst es in einer Stellungnahme von Schmidheinys Kommunikationsverantwortlicher.

Ein erstes Eternit-Verfahren endete im November 2014 mit einem höchstrichterlichen Freispruch für Schmidheiny. Die Anklage mit den gleichen Vorwürfen und dem gleichen Team der Staatsanwaltschaft habe «in Missachtung der rechtsstaatlichen Prinzipien» umgehend ein neues Verfahren angestrengt.

Drei Verfahrensstränge

Inzwischen sind diese Verfahren wegen verfahrensrechtlicher Vorgaben auf drei Verfahrensstränge aufgeteilt. Neben dem nun entschiedenen Fall zur Fabrik in Cavagnolo ist in Turin ein zweitinstanzliches Verfahren zur Fabrik in Casale Monferrato hängig.

Ein drittes Verfahren betrifft die Eternit-Fabrik in Neapel. In diesem Fall hat das oberste Gericht im vergangenen Februar die zweitinstanzliche Verurteilung ebenfalls annulliert und an das Appellationsgericht von Neapel zur Neubeurteilung zurückgewiesen.

Verteidigung streitet Zusammenhang mit Todesursache ab

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Um zu einem Schuldspruch zu gelangen, hätten sich die unteren Instanzen bisher auf einseitige medizinische Theorien sowie auf bloss statistische Wahrscheinlichkeiten der Epidemiologie bezogen, heisst es in der Stellungnahme Schmidheinys. Der für eine strafrechtliche Verurteilung entscheidende Kausalzusammenhang zwischen den angeblichen Unterlassungen von Schmidheiny und dem Tod des Arbeiters sei in den Urteilen nie bewiesen worden.

Schmidheiny hat seit 2008 ehemaligen Angestellten und Anwohnern der Eternit-Fabriken, die von einer Asbesterkrankung betroffen sind, Entschädigungen angeboten. Inzwischen hätten weit über 2000 Menschen das Angebot angenommen und es seien Entschädigungen im hohen zweistelligen Millionenbereich ausbezahlt worden.

SRF4 News aktuell, 22.03.25, 15 Uhr ; 

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