Senken sie den Zins? Um wie viel? Sogar um 0.5 Prozent? Senken sie ihn überhaupt? Im Vorfeld von Zinsentscheiden der Zentralbanken wird viel spekuliert. Speziell bei der US-Zentralbank, der Federal Reserve. Denn sie hütet die nach wie vor wichtigste Währung der Welt, den US-Dollar. Und da hängt viel dran, sehr viel.
Dass die Fed den Zins um 0.25 Prozentpunkte senkt, das war erwartet worden. Und so kam es auch. Also eigentlich alles ohne Überraschung. Und doch war bei diesem Zinsentscheid vieles anders. Denn seit dem letzten Zinsentscheid am 18. Juni, als der Leitzins so blieb wie er war, ist viel passiert.
Die gefeuerte Statistikerin
US-Präsident Donald Trump hat Anfang August die zuständige Chefin für die Arbeitsmarktstatistik, Erika McEntarfe, entlassen. Der Vorwurf: Sie habe Zahlen manipuliert, beschönigt. Die Zahlen zum US-Arbeitsmarkt sind zusammen mit der Inflation die wichtigsten Grundlagen für den US-Zinsentscheid.
Wie viele Stellen sind geschaffen worden, wie viele Leute arbeitslos geworden? Auf diesen Grundlagen entsteht ein Bild, wie es der US-Wirtschaft wirklich geht. Und die Notenbank muss mit ihrer Entscheidung eine möglichst gute Entwicklung für die Beschäftigungslage schaffen, so schreibt es ihr das Mandat vor.
Gleichzeitig muss sie die Inflation im Auge behalten, also für stabile Preise sorgen. Das heisst, die Inflation möglichst bei maximal zwei Prozent halten. Denn die Wirtschaft soll weder überhitzen noch zu stark abkühlen. Doch genau diese beiden Ziele – Arbeitsmarkt beleben und Inflation nicht über zwei Prozent belassen – klaffen im Moment auseinander. Die Inflation lag im August bei 2.9 Prozent. Und im August gab es nur 22'000 neue Jobs – das ideale Niveau liegt bei rund 100'000.
Der eigene Mann im Gremium
Neben der Attacke auf die Chefin der Arbeitsmarktstatistik hat Präsident Trump mit Stephen Miran einen seiner wichtigsten Wirtschaftsberater ins Entscheidungsgremium der Notenbank, das Federal Open Market Committee (FOMC), geschleust. Und der konnte sich bereits an der Zinsentscheidung beteiligen. Dem Vernehmen nach soll er sich für einen grösseren Zinsschritt nach unten im Umfang von 0.5 Prozent eingesetzt haben. Denn tiefe Zinsen befeuern die Wirtschaft – doch mit der Zeit auch die Inflation.
Die Notenbanken mit ihren Währungshütern, sie gelten als opake Institutionen, weil sie – um ihre Aufgaben zu erfüllen – unabhängig von Einzelinteressen agieren und ihre Entscheide, die eine grosse Tragweite für die weitere Wirtschaftsentwicklung haben, mit Weitsicht fällen sollten.
Der Versuch der Einflussnahme gibt es oft, überall und immer wieder. Das Ausmass, wie eine solche Einflussnahme im Moment in den USA zu beobachten ist, lässt nichts Gutes erahnen. So gesehen war es geradezu beruhigend, wie Jerome Powell gewohnt stoisch durch die Türe zum Rednerpult schritt und in seiner unaufgeregten Art den Entscheid erklärte, weshalb die Fed den Zins um 0.25 Prozent senkt. Und nicht um 0.5 Prozent.
Und jetzt, da dieser Entscheid gefällt ist, schiessen sofort neue Spekulationen ins Kraut. Wie wird sich die Fed bei der nächsten Sitzung im Dezember verhalten? Senken sie den Zins? Um wie viel? Es bleibt abzuwarten.