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Finanzprobleme im Spitalwesen Thurgauer Spitäler in schwarzen Zahlen – was sie anders machen

Viele Schweizer Spitäler sind in den roten Zahlen. Eine Ausnahme bilden die kantonalen Einrichtungen in Thurgau.

Nur eine Handvoll der 48 grössten Spitäler in der Schweiz stehen finanziell solide da. Zu diesem Schluss kam 2022 eine Studie des Beratungsunternehmens PWC . Dazu gehören die Spitäler Thurgau mit zwei Akutspitälern in Frauenfeld und Münsterlingen, einer Rehabilitationsklinik und einer Psychiatrie. Die Gruppe unter dem Dach einer Holding gehört dem Kanton Thurgau.

Wir betreiben nur eine IT, nur eine Finanzabteilung, nur eine HR-Abteilung. Das senkt die Kosten.
Autor: Rolf Zehnder Geschäftsführer Spital Thurgau

Was macht sie anders als andere Spitäler? Die Grösse sei ein Faktor, sagt Geschäftsführer Rolf Zehnder. Das erlaube Synergien.«Wir betreiben nur eine IT, nur eine Finanzabteilung, nur eine HR-Abteilung. Keine Marketing-Abteilung und keine eigenen Rechtsdienste. Das senkt die Kosten.» Nicht alles, was andere Spitalgruppen dieser Grösse hätten, bräuchten sie, so Zehnder.

Apotheken und Radiologie-Institute

Die Grösse ist das eine, die Organisation das andere. Die Thurgauer Spitäler gehören zur Dachgesellschaft Thurmed-Gruppe. Diese betreibt auch Apotheken, eine Immobilien-AG sowie mehrere Ambulatorien, insbesondere Radiologie-Institute. Vor allem letztere rentieren.

Denn alle bräuchten bildgebende Diagnosen, so Zehnder. «Hausärzte, Spezialisten und Spitäler». Darum betreibe Thurmed gleich mehrere Radiologie-Institute in der Region mit insgesamt 70 Radiologinnen und Radiologen. Auch dadurch würden sie Synergien nutzen.

Spitäler unter Druck

Die rentierenden Bereiche der Thurmed-Gruppe subventionieren also die Spitäler. Denn selbst für die schlank aufgestellten Spitäler Thurgau wird es zunehmend schwieriger: Die Alterung der Gesellschaft und der Fachkräftemangel treiben die Kosten in die Höhe – bei gleich gebliebenen Tarifen.

Weniger Defizite dank weniger Spitälern?

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Leeres Krankenhausflur mit Krankenbett.
Legende: Keystone/Gaëtan Bally

Überlegungen, wie man die derzeit rund 270 Spitäler in der Schweiz aus den roten Zahlen bringen kann, gibt es zahlreiche. Immer wieder gefordert wird, kleinere Spitäler zu schliessen und die zentralen Kliniken zu stärken. Der steigende finanzielle Druck könnte nun eine Entwicklung in dieser Richtung beschleunigen, wie der Radiobeitrag von Christine Wanner aus dem «Rendez-vous» zeigt. Dabei ist klar: Die Aufgabe ist langwierig – und alle müssen mitmachen: Kantone, Spitäler und nicht zuletzt die Bevölkerung.

Es sei eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten, stellt CEO Zehnder fest: In den Spitälern habe es weniger jüngere Leute, denn diese würden immer öfter ambulant behandelt. Und die Patienten, die länger im Spital blieben, seien häufig älter und komplexere Fälle: «Deshalb betreiben wir heute auch intensiv Rehabilitationsmedizin».

Im Kanton Thurgau hätten sie die unternehmerische Freiheit, Schwerpunkte zu setzen und neben dem klassischen Spital auch eine Rehaklinik sowie Ambulatorien und Apotheken zu betreiben, so Zehnder.

Es kann nicht sein, dass wir in einem Projekt Millionen-Verlust machen und dann zum Kanton rennen.
Autor: Rolf Zehnder Geschäftsführer Spital Thurgau

Die klare Rollenteilung sei wichtig. Und sich derart herauszuhalten aus dem Operativen sei nicht einfach für den Kanton. Aber es funktioniert: «Wir machen dafür keine Politik. Unsere Verantwortung ist eine gute gesundheitliche Betreuung der Thurgauer Bevölkerung zu wirtschaftlichen Konditionen.»

Optimal austariertes System

Dabei kann auch mal etwas schiefgehen, so Zehnder, das passiere immer wieder – und gehöre zur unternehmerischen Verantwortung. Auch das muss die Politik aushalten. «Andererseits kann es auch nicht sein, dass wir in einem Projekt Millionen-Verlust machen und dann zum Kanton rennen. Auch das gehört zum unternehmerischen Risiko – dass wir genug Reserven haben.»

Das klingt alles logisch. Und doch sei die Praxis oft komplizierter, sagt der Thurmed-Chef. Es sei sehr anspruchsvoll, ein Spital finanziell gesund zu halten, und auch im Kanton Thurgau müsse man dafür kämpfen. Ein einfaches Rezept gebe es nicht.«Das rein marktwirtschaftliche System wird nicht funktionieren, das rein staatliche auch nicht», so Zehnder. «Auch wir leben sehr stark mit Widersprüchen.»

Rendez-vous, 21.5.2024, 12:30 Uhr

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