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Firmen aus Italien und Schweiz Dufry und Autogrill wollen zu Detailhandelsgrösse fusionieren

  • Im Reisedetailhandel kommt es zu einem Schulterschluss.
  • Der Basler Dufry-Konzern spannt mit dem italienischen Raststätten-Betreiber Autogrill zusammen.
  • Bereits Ende Juni hatten beide Firmen Gespräche über eine Fusion bestätigt.

Durch die Fusion entsteht ein global tätiger Konzern, der eine Plattform für den Detailhandel rund um den Reisedetailhandel bietet, wie beide Unternehmen am frühen Montagmorgen bekannt gaben. Gemeinsam werde die neue Gruppe 2.3 Milliarden Passagierinnen und Passagiere an Flughäfen in mehr als 75 Ländern bedienen können.

Autogrill-Raststätte
Legende: Autogrill besitzt ein Portfolio von über 350 verschiedenen Marken, davon über 200 auf Basis von Konzessionsverträgen, z.B. Starbucks, Burger King, Prêt à Manger und Eataly. Keystone

Sie werde über 5500 Geschäfte an 1200 Flughäfen und anderen Lokalitäten verfügen. Zusammen erziele die neu fusionierte Gesellschaft einen Umsatz von 13.6 Milliarden Franken sowie über ein operatives Ergebnis von 1.4 Milliarden Franken (basierend auf Pro-Forma-Zahlen für 2019). Der Name des neuen Konzerns ist noch nicht bekannt.

Klar ist hingegen das Ziel: Der neue Konzern will vor allem in den USA und Asien wachsen. Angestrebt wird ein Umsatz von 13 Milliarden Franken.

Edizione soll Hauptaktionärin werden

Die mit einem Anteil von 50.3 Prozent wichtigste Autogrill-Aktionärin, die Edizione-Holding der Benetton-Familie, unterstützt den Angaben zufolge das Vorhaben. Edizione werde seine gesamte Beteiligung zu einem Umtauschverhältnis von 0.158 neuen Dufry-Aktien für jede Autogrill-Aktie übertragen, so die Mitteilung.

Die beiden Firmen im Überblick

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Die in Basel beheimatete Dufry geht auf die 1865 gegründete Weitnauer-Gruppe zurück. Das Unternehmen betreibt weltweit in 65 Ländern rund 2300 Duty-Free-Shops an Flughäfen, Grenzübergängen, in Seehäfen, Bahnhöfen, Flugzeugen, auf Kreuzfahrtschiffen und Fähren.

Die italienische Firma Autogrill betreibt Gaststätten und Duty-Free-Shops für Reisende, insbesondere an Autobahnen und auf Flughäfen. Das Unternehmen ist mit rund 4300 Geschäften in 31 Ländern präsent. An dem an der Mailänder Börse kotierten Unternehmen hält die Unternehmerfamilie Benetton einen Anteil von 50.1 %.

Dufry wie Autogrill waren stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Der Umsatz von Dufry sank 2020 vor allem wegen geschlossener Flughäfen gegenüber 2019 um über 70 Prozent auf 2.6 Milliarden Franken, fast genauso hoch war das Minus unter dem Strich. Letztes Jahr setzte Dufry immerhin wieder 3.9 Milliarden Franken um, schrieb allerdings noch immer rote Zahlen.

Die Ankündigung ist keine Überraschung. Nach monatelangen Spekulationen hatten die Basler und die Mailänder Firma Ende Juni bestätigt, dass sie über einen möglichen Zusammenschluss verhandelten. Mehrere Aufsichtsbehörden müssen der Transaktion noch zustimmen. Dufry wird ihrerseits eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen, die über die Fusion befinden wird.

Eins plus eins gleich drei

Der Zusammenschluss von Dufry und Autogrill sei mehr als nur die Summe dieser beiden Unternehmen, sagt Dufry-Chef Xavier Rossinyol am Vormittag bei einer Medienkonferenz. Konkret will der neue Konzern das Geschäft mit der Verpflegung und das Einkaufen an den Flughäfen stärker zusammenbringen. Rossinyol erklärt: In einem Laden, der Alkohol verkauft, soll es künftig auch möglich sein, diesen zu konsumieren.

Denn heute sei es so, dass viele Menschen am Flughafen gar nichts kaufen würden. «85 Prozent der Fluggäste kaufen nichts. Die restlichen 15 Prozent bleiben nur 5 bis 10 Minuten im Geschäft», so Rossinyol.

Rossinyol ist überzeugt, dass jetzt, nach den Pandemie-Massnahmen, der richtige Moment sei für einen solchen Zusammenschluss. Auch wenn er eingestehen muss, dass die Geschäfte noch besser liefen, wenn die Flughäfen aktuell nicht so überlastet wären. «Das Problem ist nicht die Nachfrage, sondern wie Flughäfen und Airlines diese bewältigen.»

Einschätzung von SRF-Redaktor Matthias Heim

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Zwar sprechen Dufry und Autogrill von einem Zusammenschluss. Faktisch ist es allerdings eine Übernahme der italienischen Traditionsfirma durch die Basler. Das zeigt sich unter anderem anhand der Grössenverhältnisse: Dufry erzielte vor der Pandemie rund doppelt so viel Umsatz wie Autogrill. Zwar ist das italienische Unternehmen insgesamt etwas besser durch die beiden Krisenjahre gekommen, aber Dufry bleibt die klare Nummer 1 bei dieser Transaktion.

Das zeigt sich auch daran, dass der Hauptsitz in Basel sein wird, das Führungspersonal vorwiegend von Dufry-Leuten besetzt wird und die Aktien von Autogrill nach dem Ende der Übernahme verschwinden werden. Inwiefern der neue Grosskonzern auch finanziell erfolgreich sein wird – und das ist das erklärte Ziel –, hängt nicht nur vom weiteren Verlauf der Pandemie ab, sondern auch, ob es gelingt, die Vorteile beider Unternehmen auszuspielen.

Mit der Verpflegung – einem der starken Pfeiler bei Autogrill – fasst Dufry zwar auf neuem Terrain Fuss. Nichtsdestotrotz wird das Geschäft mit den Duty-Free-Läden an Flughäfen entscheidend sein: Hier wird der neue Konzern zumindest zu Beginn etliche Doppelspurigkeiten haben und entsprechend sein Geschäft neu justieren müssen.

SRF 4 News aktuell, 11.07.2022, 02:00 Uhr ; 

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